Uganda: „Eure Unterstützung macht uns Mut“ – Interview mit Kasha J. Nabagesera, Gastrednerin Zurich Pride Festival 2012

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Kasha Jacqueline Nabagesera, Menschenrechtsaktivistin in Uganda, Trägerin des Martin Ennals Menschenrechtspreises 2011, Gastrednerin an der Zurich Pride 2012. ©Karen Veldkamp / AI.

Tätliche Angriffe, drakonische Gesetze und Bespitzelungen: In Uganda ist eine regelrechte Hetzjagd auf die LGBTI- Community im Gange. Queeramnesty hat die Uganderin Kasha Jacqueline Nabagesera an die Zurich Pride eingeladen. Im Interview berichtet die furchtlose Aktivistin über ihren schwierigen Alltag.
von Camille Châtelain, Web & Social Media, Amnesty International

Kasha nimmt teil:
Podiumsdiskussion zur Situation der LGBT in Uganda, Do, 14. Juni 2012
Politische Rednerinnen, Zurich Pride, Sa 16. Juni 2012 hier: Rede von Kasha (PDF, 2S, Eng.).
Medienmitteilung Amnesty Schweiz: Kasha Jacqueline Nabagesera, LGBT-Aktivistin (PDF, 240 kB)

Amnesty International: In Uganda wird seit längerem ein Gesetz verhandelt, das drakonische Strafen für Homosexualität vorsieht, bis hin zur Todesstrafe. Wie schätzt du die Lage ein?
Kasha Jacqueline Nabagesera: Das Gesetz, das im Moment im Parlament verhandelt wird, sollte gar nicht existieren. Bereits heute gibt es bei uns Gesetze, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen. Das geplante Gesetz verstösst gegen die Menschenrechte- warum soll man Erwachsene verfolgen, die einvernehmlich miteinander Sex haben? Der Initiant behauptet, es gehe darum, Kinder zu schützen. Aber wir haben bereits Gesetze, um Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen, ob der nun homo- oder heterosexuell ist. Wenn diese Gesetze Schlupflöcher enthalten, dann sollten sie vom Parlament verbessert werden. Die Anti- Gay- Lobbyisten sagen, wir würden Homosexualität „fördern“ und neue Leute dafür „anwerben“. Dafür möchte ich mal Beweise sehen. Was soll „fördern“ in diesem Zusammenhang überhaupt bedeuten? Ist eine Party für schwule Freunde im eigenen Garten oder am Strand „Förderung“? Ich rufe unsere Regierung dazu auf, dass sie eine unabhängige Kommission einsetzt, um diese Vorwürfe zu untersuchen.

Im Februar 2012 löste ein Minister einen LGBTI- Workshop in der zentralugandischen Stadt Entebbe auf und wollte dich verhaften. Wie sieht dein Alltag seither aus?
Mein Alltag unterscheidet sich nicht von jenem aller anderen Leute in Uganda, die offen als Lesben, Schwule oder Transgender leben. Wir müssen uns stets vor Angriffen fürchten. Doch manche Tage sind ganz normal und selbst in Menschenmassen passiert nichts. Die Gesellschaft ist aufgehetzt durch Anti- Gay- Lobbyisten oder Pfarrer. Im Alltag gibt es dauernd Beschimpfungen. Aber wir sitzen nicht einfach nur da und bedauern uns selber, sondern stehen für unsere Rechte ein. Dass der Minister unseren Workshop auflöste, war gegen die Verfassung. Wir haben eine Anzeige gegen ihn und die Regierung eingereicht; der Prozess soll am 25. Juni beginnen.

Welche Botschaft möchtest du der LGBTI- Community in der Schweiz anlässlich der Zurich Pride übermitteln?
Ihr verdient es, ausgiebig zu feiern. Ihr habt so hart gearbeitet, um an den Punkt zu kommen, an dem ihr jetzt seid. Wenn ihr vor Jahren einfach im Untergrund geblieben wärt und nichts unternommen hättet, gäbe es heute nichts zu feiern. Darum geht es uns nun in Uganda auch. Wir wollen den Kopf nicht in den Sand stecken. Menschen wie ihr, die uns unterstützen, geben uns Mut. Ihr feiert heute, aber ihr denkt auch an die anderen rund um den Globus, die nicht feiern können. Vielen Dank für eure Unterstützung.
Happy Pride Comrades!

Was können Menschen in der Schweiz dazu beitragen, dass sich die Situation in Uganda verbessert?
Die Schweizer und Schweizerinnen können mit ihrer Regierung in Dialog treten, damit diese mit unserer Regierung im Kontakt bleibt. Und wir würden es schätzen, wenn ihr uns Informationsmaterial schicken könntet. Weil unsere Regierung uns vernachlässigt, erhalten wir solche Informationen nicht, zum Beispiel zu Safer Sex, geschlechtlicher Identität, Coming- Out. Auch über Bücher und Filme oder vielleicht sogar eine Geldspende würden wir uns freuen. Ihr könnt uns auf unseren sozialen Netzwerken besuchen oder bei uns in Uganda Freiwilligenarbeit leisten, damit wir unsere Erfahrungen austauschen können.

Über Queeramnesty
Amnesty International ist eine Menschenrechtsorganisation mit global 3,2 Millionen Mitgliedern. Queeramnesty Schweiz ist eine von weltweit rund 30 Amnesty- Gruppen, die spezifisch zu Menschenrechtsfragen im Zusammenhang mit sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität arbeiten. Möchtest Du bei Queeramnesty mitmachen oder mit Kasha Jacqueline Nabagesera in Kontakt treten?
Kontaktiere uns via info@queeramnesty.ch.


Hintergrund:

Link zur Podiumsdiskussion, Do, 14. Juni 2012

In den vergangenen Jahren dokumentierte Amnesty International immer wieder Diskriminierungen, willkürliche Verhaftungen und Folter von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (LGBT) in Uganda. Am 26. Januar 2011 wurde David Kato, ein bekannter ugandischer Menschenrechts- und LGBT-Aktivist, in seinem Haus ermordet. Zwar verhaftete die Polizei inzwischen den mutmasslichen Täter, dennoch leben Schwule und Lesben seitdem zunehmend in Angst. Kato hatte die Regierung dazu aufgerufen, deren Diskriminierung zu beenden. In diesem Zusammenhang wurden in der ugandischen Boulevard-Presse Namen, Fotos und persönliche Daten von Menschen veröffentlicht, die als Homosexuelle verdächtigt werden. Neue Gesetze und Gesetzentwürfe bedrohen das Recht auf freie Meinungsäusserung und die Versammlungsfreiheit in Uganda zusätzlich.

Die Basis der Homophobie in Uganda wurde, wie in vielen Ländern und Regionen der Welt – durch die Kolonialisierung gelegt und in den letzten Jahren durch US-amerikanische Christen erneut ganz gezielt geschürt. Sogar die Schweizerische christliche Partei EDU unterstützt Aufruf zur Ermordung von Schwulen und Lesben in Uganda.

Medienmitteilung: Kasha Jacqueline Nabagesera, Aktivistin für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transgender in Uganda (PDF, 240 kB)

Kasha nimmt teil:
Podiumsdiskussion zur Situation der LGBT in Uganda, Do, 14. Juni 2012, GZ Bäckeranlage
=> Flyer (A5) (2 S, 340kB, randabfallen, 960 kB).
=> Plakat (A3) (PDF, 260kB, randabfallen, 690 kB).

Mehr bei Amnesty Schweiz: Zur Situation der LGBT in Uganda

Uganda:
Überfall auf Workshop von Lesben in Entebbe (Feb 2012)
‘Call Me Kuchu’ gewinnt Sonderpreis an der Berlinale (Feb 2012)
Anti-Homosexualitätsgesetz ist ein schwerer Angriff auf die Menschenrechte (Feb 2012)
Mörder des Aktivisten David Kato zu 30 Jahren Haft verurteilt (Nov 2011)
Martin Ennals Award 2011 für LGBT-Aktivistin Kasha Jacqueline Nabagesera (Okt 2011)
Stoppt das Anti-Homosexualitätsgesetz (Mai 2011)
Mord an LGBT-Aktivist David Kato – Untersuchung gefordert (Jan 2011)
Schwulenaktivist Frank Mugisha muss mehr denn je um sein Leben fürchten (Nov 2011)

Tunesien: Menschenrechtsminister Samir Dilou untergräbt Menschrechte für LGBTI (Feb+Apr 2012)
Liberia: Trotz Friedensnobelpreis weiterhin Verfolgung von LGBT-Aktivist_innen (März 2012)
Tansania: Gezielte Stigmatisierung von Schüler_innen mit HIV/AIDS in Schulen (März 2012)
Kamerun: Kriminalisierung Homosexueller Beziehungen überwinden – Appell (März 2012)
Senegal: Diskriminierung – Menschenrechte im Fokus vor den Wahlen am am 26. Februar (Feb 2012)
Kamerun: Kampf für die Rechte von Lesben und Schwulen (Feb 2012)
Kamerun: Vier Studenten wegen Homosexualität in Kumba festgenommen (Jan 2012)
Kamerun: 5 Jahren für zwei jugendliche Homosexuelle (Nov 2011)
Ruanda: Homophober Überfall auf Filmemacher Dady de Maximo (Nov 2011)
Nigeria: Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe verletzt die Verfassung des Landes (Nov 2011)

Film und Podium: Festival Queersicht (Bern) mit Schwerpunkt Afrika (Nov 2011)

Afrika: Amnesty Appell an «Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrecht» (Mai 2012)


Amnesty an der Zurich Pride:

Queeramnesty als Premium Partner am Zürich Pride Festival 14.-17. Juni 2012

Politische Rednerinnen und Progamm Umzug Zurich Pride, Sa 16. Juni 2012 hier: Rede von Kasha (PDF, 2S, Eng.).

Aufruf Mitmachen Zürich Pride: Flyer „Mach mit“ (PDF, 130kB).

 

Ganz besonders brauchen wir 79 spezielle „Statisten“, welche am Samstag an der Pride die 79 Länder „vertreten“, in denen Homosexualität gesetzlich verfolgt wird.

Weltweit: Amnesty International unterstützt die Pride-Bewegung. Demonstrationsfreiheit und Sichtbarkeit gehören den fundamentalsten Menschenrechten VIDEO: Weltweit: Amnesty International unterstützt die Pride-Bewegung. Versammlungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und Sichtbarkeit gehören den fundamentalsten Menschenrechten (Mai 2012)