Europa: Diskriminierung und unmenschliche Behandlung von Transmenschen Amnesty Report

Ich bin nicht „verwirrt“ bezüglich meines Geschlechts – bist Du es?

Die Rechte von Menschen, die sich nicht dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht zugehörig fühlen (Transmenschen), werden in Europa vielfach missachtet und verletzt. Das dokumentiert Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht. Transmenschen werden zum Beispiel gezwungen, sich teils schwerwiegenden medizinischen Eingriffen und Behandlungen zu unterziehen, bevor sie ihr amtliches Geschlecht und den Namen ändern dürfen.

Amnesty International legt einen über 100-seitigen Report zur Situation von Transgender in Europa vor. Umfassende Analyse und klare Empfehlungen an die Regierungen.

Amnesty News: Transgender people face discrimination and inhuman treatment (Englisch)

Amnesty Report: Lack of legal gender recognition for transgender people in Europe (PDF, 103 Seiten, 2 MB, Englisch, EUR 01/001/2014, 4. Feb. 2014)

Amnesty Questions and Answers: Transgender people in Europe: Questions and Answers (PDF, 2 Seiten, 50 kB, Englisch, EUR 01/003/2014, 4. Feb. 2014)
Amnesty Fälle (‚Cases‘): Denied identities: Cases of transgender people (PDF, 2 Seiten, 60 kB, Englisch, EUR 01/004/2014, 4. Feb. 2014)

Amnesty Schweiz: Themenseite: Identität und sexuelle Orientierung
Amnesty Schweiz: Themenseite: Sexuelle und reproduktive Rechte
Medienstelle: Amnesty Internatioal Schweiz

Webseite Dachverband TGNS: Transgender Network Switzerland

Medien:
La Repubblica: Costringerli a farsi operare per cambiare identità sui documenti viola diritti (Ital.)
Queer.DE: Amnesty wirft Deutschland Trans-Diskriminierung vor

Humanrights.ch: Der Schutz vor Geschlechterstereotypen und Sexismus ist ungenügend

Ebenfalls diese Tage L.A. erschienen: Studie zu Suzid bei transgender und nicht-gender-koformen Erwachsenen.
Suicide Attempts among Transgender and Gender Non-Conforming Adults (PDF, 18 S, 250 kB, Englisch).

Amnesty Report zu homophoben und transphoben Hassverbrechen in Europa (Sep 2013)
In 24 Ländern (inkl.Schweiz) werden Transgender immer noch zwangssterilisiert (Mai 2013)
Salil Shetty spricht zu 450 Delegierten der ILGA-Welt-Konferenz (Dez 2012)
Eurpoas langer Weg zur Bekämpfung von Gewalt gegen Transpersonen (Nov 2012)
Studie: Diskriminierung von Trans und Intersex Meschen in Europa (juli 2012)

Europa: – Diskriminierung und unmenschliche Behandlung von Transmenschen
umfassender Report von Amnesty International, EUR 01/001/2014, 4. Feb. 2014

London / Bern, 4.Februar 2014 – Die Rechte von Menschen, die sich nicht dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht zugehörig fühlen (Transmenschen), werden in Europa vielfach missachtet und verletzt. Das dokumentiert Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht. Transmenschen werden zum Beispiel gezwungen, sich teils schwerwiegenden medizinischen Eingriffen und Behandlungen zu unterziehen, bevor sie ihr amtliches Geschlecht und den Namen ändern dürfen.

In der Europäischen Union leben schätzungsweise 1,5 Millionen Transmenschen. In vielen europäischen Ländern erlaubt das Gesetz eine Änderung des amtlichen Geschlechts nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Transmenschen können eine rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität nur dann erhalten, wenn eine psychische Erkrankung diagnostiziert wurde, wenn sie in medizinische Behandlungen einwilligen, die längst nicht alle von ihnen wünschen – etwa Hormontherapien und Operationen, die eine irreversible Sterilisation zur Folge haben -, und wenn sie beweisen, dass sie alleinstehend sind. Dieser Prozess kann Jahre dauern.

«Es ist entwürdigend und unmenschlich, jemanden gegen den eigenen Wunsch zu invasiven, schwerwiegenden Behandlungen zu zwingen, nur weil er oder sie das amtliche Geschlecht ändern will», sagt Stella Jegher, Gender-Fachfrau der Schweizer Sektion von Amnesty International. «Transmenschen haben ohnehin einen schweren Weg voller Hindernisse zu gehen, bis sie ihrer Geschlechtsidentität entsprechend leben können. Dass der Staat sie noch zusätzlich diskriminiert und ihnen Hürden in den Weg stellt, darf nicht sein.»

Der Bericht von Amnesty International «The state decides who I am: lack of legal recognition for transgender people in Europe» hat die Situation von Transmenschen in sieben europäischen Ländern untersucht: Dänemark, Finnland, Frankreich, Norwegen, Belgien, Deutschland und Irland. Während in Irland bisher überhaupt keine Änderung des amtlichen Geschlechts möglich ist (ein entsprechendes Gesetz ist zurzeit erst in Planung), verletzen die geltenden Verfahren in den anderen Ländern fundamentale Menschenrechte.

Stella Jegher: «Staaten müssen dafür sorgen, dass Transmenschen ihre Geschlechtsidentität in einem raschen, transparenten und niederschwelligen Verfahren amtlich anerkennen lassen können. Dabei muss ihr Recht auf Privatsphäre geschützt werden, und es dürfen keine Auflagen gemacht werden, die die Menschenrechte der Betroffenen verletzen. Das Recht auf Privatsphäre muss ebenso geschützt werden, wie das Recht, nicht diskriminiert zu werden.»

Die Änderung ihres offiziellen Geschlechts ist für die Menschenrechte von Transmenschen von fundamentaler Bedeutung. Stimmt ihr amtliches Geschlecht nicht mit ihrer Geschlechtsidentität und ihrer äusseren Erscheinung überein, riskieren sie jedes Mal, wenn sie in einem Dokument entsprechende Angaben machen oder sich ausweisen müssen, diskriminiert zu werden.

Zusatzinformation: Zur Situation in der Schweiz

Die Situation in der Schweiz war nicht Gegenstand der Untersuchung von Amnesty International. Die Rechtslage ist jedoch vergleichbar mit derjenigen in den untersuchten Ländern: Eine medizinische Diagnose wird für eine Änderung des amtlichen Geschlechts in jedem Fall verlangt, die Sterilisation oder zumindest eine Hormonbehandlung ist fast immer eine Voraussetzung. Die Zahl der Transmenschen in der Schweiz wird je nach Zählweise auf einige Hundert (Menschen, die sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen haben) bis zu gegen 40’000 (Menschen, deren subjektiv empfundene Geschlechtsidentität nicht oder nur teilweise mit dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimmt) geschätzt.

Medienstelle: Amnesty Internatioal Schweiz