Das osteuropäische EU-Mitglied verstösst gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, weil die Behören Transgender-Personen vor ein unmögliches Dilema stellen. Diese können ihr Geschlecht auf Papieren nicht ändern lassen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Rumänien im Fall «X und Y gegen Rumänien» schuldig befunden, gegen den Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu verstossen. Dieser Artikel besagt, dass «jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens» hat. Im Absatz zwei des Artikels heisst es: «Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer».

FEHLENDES VERFAHREN ZUR GESCHLECHTSANERKENNUNG FÜHRT ZU DILEMMA

Im Gerichtsfall geht es um zwei Personen, die ihre Identitäten auf ihren rumänischen Unterlagen nicht von weiblich zu männlich wechseln konnten. Rumänien lehnte diese Anträge mit der Begründung ab, dass diese Personen keinen Nachweis einer geschlechtsangleichenden Operation erbringen können.

Der EGMR stellte fest, dass das fehlende Verfahren zur Geschlechtsanerkennung und die unangemessenen Anforderungen der nationalen Gerichte beide Antragsteller vor ein unlösbares Dilemma gestellt hatten: Entweder wurden sie gezwungen, sich den Operationen zu unterziehen, was gegen ihr Recht auf Achtung ihrer körperlichen Unversehrtheit verstösst, oder sie mussten auf die Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität verzichten, was ebenfalls in den Bereich der Achtung des Privatlebens fällt. Der Gerichtshof stellte eine Verletzung von Artikel 8 EMRK fest, da Rumänien über keinen klaren und vorhersehbaren Rechtsrahmen für die rechtliche Geschlechtsanerkennung verfügt. Der Gerichtshof stellte auch fest, dass der Staat es versäumt hat, einen fairen Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse und den individuellen Interessen der betroffenen Personen zu schaffen.

Das Gericht ging allerdings nicht auf die Ansprüche aus Artikel 14 über die Nichtdiskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität ein, die die Antragsteller betreffen. Es verurteilte somit die Anforderungen an Operationen in gesetzlichen Verfahren zur Geschlechtsanerkennung nicht eindeutig als diskriminierend.

Der rumänische Verband ACCEPT schätzt, dass rund 120’000 Transgender-Personen im Land leben. Weniger als 50 davon hätten es in den letzten 20 Jahren geschafft, ihre Personenstandsurkunden zu ändern.