FÜR MOSES, GEORGE UND BRYAN HAT 2015 EIN NEUES LEBEN BEGONNEN. NACH MEHRJÄHRIGER ODYSSEE HABEN DIE DREI SCHWULEN MÄNNER AUS UGANDA IN DER SCHWEIZ ASYL ERHALTEN.
Queeramnesty unterstützt unter anderem LGBT-Flüchtlinge in der Schweiz, berät und begleitet sie, hilft ihnen Anschluss zu finden. Drei dieser Flüchtlinge haben dieses Jahr gute Nachrichten erhalten: Die Schweiz gewährt ihnen offiziell Asyl – ein kleiner Erfolg für Queeramnesty und eine grosse Erleichterung für die Betroffenen, die alle eine bewegte Geschichte haben.
Dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Asyl erhalten, ist keine Selbstverständlichkeit. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind im Schweizer Asylrecht nämlich nicht explizit erwähnt, können aber ein Asylgrund sein, wenn die Asylsuchenden glaubhaft machen können, dass sie deswegen in ihrem Herkunftsland gezielt bedroht und verfolgt werden oder ihnen Verfolgung droht. Nur gerade fünf Prozent der Asylgesuche in der Schweiz basieren laut dem Bundesamt für Migration auf Gründen der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Gleichwohl ist in rund 70 Ländern der Welt Homosexualität noch immer strafbar, oft begleitet von homo-, bi- und transphober Gewalt.
So auch in Uganda, dem Herkunftsland der drei neu anerkannten Flüchtlinge Moses, Georgeº und Bryanº. Homophobie ist gesellschaftlich tief verwurzelt, öffentliche Hetzkampagnen in den Medien sowie Verhaftungen und Misshandlungen sind weit verbreitet. LGBT-Menschen werden systematisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen, bis hin zur Verweigerung von gesundheitlicher Hilfe bei HIV-Infektionen. Schwule, Lesben, Bisexuelle und Trans*menschen leben deshalb am Rande der Gesellschaft, versteckt und in ständiger Angst vor Übergriffen und Demütigungen.
All das haben auch George (27) aus der Provinz Lira, sowie Moses (31) und Bryan (32) aus der Hauptstadt Kampala erlebt. Ihre drei Schicksale haben neben vielen Unterschieden einige Gemeinsamkeiten. Kennengelernt haben sie sich erst in der Schweiz über Queeramnesty. Aber sie alle wurden in Uganda verhaftet, entweder im öffentlichen Raum, auf einem Geburtstagsfest in einer Bar, auf einer Party oder auf dem Heimweg von einem Fest. Sie wurden ins Gefängnis geworfen, dort mehrere Tage oder Wochen festgehalten und misshandelt. Sie erlebten sowohl physische als auch psychische Gewalt. Moses erinnert sich:
„The police wardens shouted at me: You have to renounce being gay. It`s not normal, you are destroying your people!“
Nach ihrer vorläufigen Freilassung bis zum jeweiligen Gerichtsurteil wurden sie von der Polizei massiv unter Druck gesetzt, weitere Namen von homosexuellen Freunden und Bekannten preiszugeben. Alle drei lebten danach in ständiger Angst vor der Polizei; enttarnt und blossgestellt als Andersartige in der eigenen Gesellschaft. Die Familien von Moses und George wandten sich von ihren Söhnen ab, wollten es nicht wahr haben, einen homosexuellen Sohn zu haben. Alle drei entschlossen sich, aus Uganda zu fliehen. George und Moses über Kenia, von dort mit gefälschten Papieren und der Hilfe ausländischer Freunde via Flugzeug in die Schweiz. Bryan kam legal über die Arbeit als Ingenieur für eine Hilfsorganisation nach Genf.
Sie alle trafen im Laufe des Jahres 2011 ein, dann begann eine langjährige Odyssee durch die Schweizer Asylbürokratie im ganzen Land. Behördenkontakte und zermürbendes Warten auf einen Entscheid prägten von nun an ihr Leben – und eine Zeit, in der sie weder einer bezahlten Lohnarbeit nachgehen durften noch wussten, wie lange sie überhaupt bleiben konnten. Die Ungewissheit belastete alle drei. Zwar ermöglichte die Caritas ihnen, einfache Tätigkeiten auszuüben, um nicht gänzlich in der Monotonie der dahin fliessenden Tage zu versinken. Doch wie sollten sie ankommen können in einem fremden Land? Wie die kulturellen Codes verstehen? Die Rechtspraxis durchschauen? Wie die Sprache lernen oder zwischenmenschliche Kontakte knüpfen? Den alltäglichen Rassismus aushalten? Die Heimlichkeit der sexuellen Orientierung durchbrechen, ohne das Gesicht zu verlieren? Denn unter anderen afrikanischen Flüchtlingen ist Homosexualität meist ebenso tabuisiert wie in ihren jeweiligen Herkunftsländern.
Queeramnesty vermochte mindestens teilweise zu helfen. Die Gruppe unterstützte Moses, George und Bryan individuell durch die Bereitstellung eines Anwaltes im Asylverfahren, ermöglichte ihnen Sprachkurse und bot ihnen insbesondere ein Sozialleben und somit einen menschlichen Hafen in dem fremden Land.
Neben der finanziellen Hilfe sei es vor allem die moralische und menschliche Unterstützung gewesen, die für sie von unschätzbarem Wert gewesen sei, betonen alle drei. »Nachdem ich Queeramnesty kennengelernt hatte, wurde vieles erträglicher«, sagt Bryan.
Das Durchhaltevermögen der drei Flüchtlinge hat sich gelohnt. Moses, George und Bryan können nun ein neues Leben beginnen. Sie alle lernen Deutsch und hoffen, so nach und nach ihre Berufschancen zu verbessern. Moses, der seinen positiven Asylbescheid schon am längsten hat, macht derzeit ein Praktikum in einem Hotel in der Zentralschweiz. Bis in zehn Jahren will er in einer Managerposition sein und eine eigene Wohnung haben. Das wünschen sich auch die anderen beiden für ihre Zukunft: Eine Arbeit, ein gutes Leben in Frieden und Freiheit. Jetzt haben sie die Chance dazu. (ms, rk)
ºNamen der Redaktion bekannt
Dieser Artikel erschien im Queeramnesty-Magazin Nr. 1.