Das polnische Rechtssystem weist erhebliche Mängel auf, wenn es darum geht, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Intersex* Personen und andere Minderheiten vor Hassverbrechen zu schützen.

Ein Wandbild gemalt von Dariusz, Straßenkünstler und Menschenrechtsverteidiger. Das Gemälde wurde mehrmals zerstört. © Dariusz Paczkow
Ein Wandbild gemalt von Dariusz, Straßenkünstler und Menschenrechtsverteidiger. Das Gemälde wurde mehrmals zerstört. © Dariusz Paczkow

Der im September 2015 veröffentlichte Amnesty-Bericht „Targeted by hate, forgotten by law“ zeigt auf, wie Polen ganze Gemeinschaften aus der Gesetzgebung gegen Hassverbrechen ausschließt, zum Beispiel Obdachlose, Behinderte oder LGBTI-Personen.

Polen hat ein Zweiklassen-Rechtssystem, das bestimmte Minderheiten schützt andere jedoch nicht. So sieht das polnische Strafrecht etwa die spezielle Ermittlung und Strafverfolgung von Hassverbrechen aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Motive vor. Aber wenn jemand schwul oder lesbisch, obdachlos oder behindert ist und genau deswegen tätlich oder verbal angegriffen wird, behandelt die Polizei den Fall als ganz normales Verbrechen und nicht als Hassverbrechen.

Die Diskriminierung von Mitgliedern der LGBTI-Gemeinschaft in Polen ist im ganzen Land weit verbreitet und tief verwurzelt. Es gibt zwar keine offiziellen Statistiken, aber eine der wichtigsten LGBTI-Organisationen in Polen, „Campaign against Homophobia“, hat allein in 2014 mindestens 120 homophobe oder transphobe Hassverbrechen registriert. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher. In Polen wurden in den vergangenen Jahren auch viele Obdachlose verprügelt oder gar angezündet. Obwohl klar ersichtlich war, dass diese Angriffe allein deshalb geschahen, weil die Opfer arm waren und auf der Straße lebten, wurden auch diese Vorfälle wie gewöhnliche Verbrechen verfolgt.

Polen ist menschenrechtlich verpflichtet, alle Minderheiten gleichermaßen vor Diskriminierung zu schützen!

Amnesty International fordert die polnische Regierung auf, diese Gesetzeslücke zu schließen. Es müssen zudem institutionelle Mechanismen geschaffen werden – wie speziell geschulte Strafverfolger_innen* und Spezialabteilungen der Polizei -, die für hassmotivierte Angriffe gegen körperlich oder geistig Beeinträchtigte, sozial Schwache oder gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität oder zuständig sind. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass solche Hassverbrechen verhindert, alle bekannten Fälle untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Außerdem müssen die Vorfälle von staatlicher Seite statistisch erfasst werden, um das Ausmaß des Problems zu erkennen.

Bisherige Versuche, das Strafrecht diesbezüglich zu reformieren, wie zuletzt 2012, sind am heftigen Widerstand einiger Teile der Bevölkerung gescheitert. Ein Mitglied des Parlaments bezeichnete den Reformversuch sogar als „Versuch eine kranke Gender-Ideologie zu etablieren, die sexuelle Abnormalitäten fördert“.

Die neue Regierung und das neu gewählte Parlament müssen dem Thema Menschenrechte, auch dem Schutz vor Diskriminierung, oberste Priorität einräumen. (qai/de)