Die kurdische LGBT-Organisation Hebun wurde 2011 gegründet. Sie kämpft gegen Hassverbrechen an Queers und versucht, in den Familien wie auch bei öffentlichen Institutionen zu sensibilisieren.

Hebun LGBT Diyarbakir
Hebun LGBT Diyarbakir

Hebun ist Kurdisch und bedeutet «leben / da sein» – der Name widerspiegelt das Recht auf Leben und den Kampf um Existenz, Anerkennung sowie die eigene Identität. In Nordkurdistan (Südosttürkei) lebt es sich nicht einfach, wenn mensch trans*, queer, bisexuell, lesbisch oder schwul ist: Zusäzlich zur Diskriminierung als Kurd_innen sind sie auch der als Queers ausgesetzt. Die Gefahr, an Leib und Leben bedroht zu werden, ist alltäglich, denn eine repressive Religionsausgestaltung, patriarchale sowie hetero- und cis-sexistische gesellschaftliche Normen und Werte sind omnipräsent. Zu den verbreiteten Hassverbrechen gehören «Ehrenmorde» an homosexuellen Söhnen, Polizeigewalt gegenüber Trans*-Sexarbeiter_innen oder dass lesbischen Töchtern der Schulbesuch untersagt wird und sie zwangsverheiratet werden.

Angst vor Diskriminierung und Gewalt, bis hin zu Mord, haben LGBTIQ*-Menschen im Freund_es_innenkreis, der Familie, im Arbeitsleben, durch die Polizei sowie im Sozial- und Gesundheitssystem. Über 80% der queeren Menschen erleben Gewalt, in der Familie sind es über 60%. Das führt dazu, dass die meisten LGBTIQ*-Menschen ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität verstecken (rund 80% vor der Familie), von zuhause flüchten und in die grösseren Städte abwandern (90%), wo es mehr Freiheiten und queere Lokalitäten gibt. Ausserdem melden sie Hassverbrechen nicht der Polizei und holen sich keine Hilfe. Hierfür will Hebun eine Anlaufstelle sowie Treffpunkt sein. Die Organisation setzt sich ebenfalls für queere Sexarbeiter_innen ein. Denn besonders Trans*-Menschen ist der Zugang zum «regulären» Arbeitsmarkt fast vollständig versperrt, weshalb viele von ihnen als Sexarbeiter_innen ihren Lebensunterhalt verdienen – nicht selten erleben sie hierbei Gewalt, auch seitens der Polizei.

Mit der aktuellen Kampagne «Do Not Hate, Love!» will Hebun auf eine simple Tatsache aufmerksam machen: LGBTIQ*-Rechte sind Menschenrechte! Die Kampagne richtet sich vor allem an öffentliche Institutionen und Organisationen. Eine Postkartenaktion zeigt, dass Vorurteile töten, und fordert, dass keine Gewalt gegenüber LGBTIQ*-Menschen angewandt werden soll. Ausserdem will Hebun den Kontakt zu den öffentlichen Institutionen und Organisationen pflegen und dort das Bewusstsein für die Anliegen von queeren Menschen schärfen sowie Vorurteile abbauen. Insbesondere der Kontakt zu Frauenorganisationen ist wichtig, denn häufig sind es Frauen aus der Nachbarschaft, die sich an Hebun wenden und Rat suchen, weil sie den betroffenen Kindern und Jugendlichen helfen möchten. Weiter gibt es für die Vertreter_ innen der Institutionen und Organisationen Filmvorstellungen, ein Dinner und kostenlose Bücher zum Thema.

Um den politischen Rahmen ihrer Arbeit zu verdeutlichen, kämpft Hebun ebenfalls für die Rechte von anderen Minderheiten in der Türkei wie beispielsweise gegen die Diskriminierung der Armenier_innen. Unterstützung erfährt Hebun vor allem durch die prokurdische Partei für Frieden und Demokratie (BDP), welche nicht nur LGBT-Rechte fest in ihre Satzung integriert hat, sondern auch Gesetzesvorlagen für die Verbesserung der Situation in das türkische Parlament einbringt. Dass die Arbeit von Hebun nach wie vor dringend nötig ist, zeigt nur schon die Tatsache, dass auch dieses Jahr die Trans*-Pride und die Pride in Istanbul verboten und von der Polizei brutal niedergeschlagen wurden. (tk)


Queeramnesty unterstützt die Kampagne von Hebun finanziell und ist mit den Aktivist_innen in Kontakt: Die Spenden, die Queeramnesty am Stand der Zürich Pride gesammelt hat, sind in das erwähnte Projekt von Hebun geflossen. Im Rahmen der diesjährigen Zürich Pride Week hätten ausserdem zwei Vertreter_innen von Hebun auf Einladung von Queeramnesty in Zürich über ihre Arbeit berichten sollen. Die Schweizer Behörden haben den beiden jedoch untersagt, in die Schweiz einzureisen und ihnen kein Visum ausgestellt. Die Begründung lautete, dass sie nicht wieder ausreisen würden.