Die Angriffe auf LGBTI*-Menschen haben auch in Europa zugenommen. Für die Schweiz wird es jedoch weiterhin keine offiziellen Zahlen geben, weil die Behörden sie auch künftig nicht explizit statistisch erfassen wollen.

In den letzten Jahren gab es laut Angaben der EU vermehrte Angriffe auf LGBTI*-Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und/oder ihrer Geschlechtsmerkmale. In Deutschland werden Straftaten mit klarem Bezug auf die sexuelle Orientierung systematisch erfasst. In der Schweiz jedoch gibt es bisher weder eine offizielle Statistik über diese hassbasierte Gewalt noch eine gesetzliche Regelung zum Schutz von homo- und bisexuellen sowie von trans* oder inter* Menschen. Dies führt dazu, dass die Opfer von Diskriminierung, Hassreden oder Gewalt Angriffe kaum anzeigen. Auch an Beratung und Unterstützung fehlt es.

Nach einer Interpellation von BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti vor zwei Jahren hatte es der Bundesrat noch für sinnvoll erachtet, Hate Crimes zu erfassen und entsprechende Daten zu veröffentlichen. Im Sommer 2017 beschloss das Parlament jedoch sang- und klanglos, auf die Einführung solcher Statistiken zu verzichten. Worauf Rosmarie Quadranti die Regierung mit einer Motion zur erneuten Lösungsfindung aufgerufen hat.

Doch auch der Versuch, LGBTI*-Feindlichkeit in der Schweiz gesetzlich zu verbieten – wie bereits Antisemitismus und Rassismus –, ist in ernstlicher Gefahr. Bereits im Jahr 2013 forderten eine parlamentarische Initiative von Mathias Reynard (SP) sowie eine Genfer Standesinitiative die Aufnahme eines Zusatzartikels in die sogenannte Antirassismus-Strafnorm (Art. 261 StGB), der die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung ergänzt. Der Nationalrat hatte den Vorstössen im Frühling 2015 zugestimmt und die Kommission für Rechtsfragen mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs beauftragt. Dieser schlug vor, den Artikel 261 StGB nicht nur mit «sexueller Orientierung» sondern auch mit dem Kriterium «Geschlechtsidentität» zu ergänzen. Die SP ging noch weiter und forderte ausserdem, noch das Kriterium «Geschlechtsmerkmal» beizufügen. Damit soll der Anwendungsbereich von Artikel 261 StGB auf Hasskriminalität und Diskriminierungen gegen sämtliche LGBTI* ausgedehnt werden.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis Oktober dieses Jahres, doch insbesondere die SVP lehnt die Ergänzung der Antirassismus-Strafnorm ab. Nach Meinung der Partei fallen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität unter das Kriterium «Lebensform» bzw. «Geschlecht» gemäss Art. 8 Abs. 2 BV. Dies mache eine weitere Verankerung auf gesetzlicher Ebene überflüssig und sei einer der Gründe, weshalb sich die SVP von Anfang an gegen den Artikel 261 StGB einsetze. Die gleiche Haltung vertritt auch die GaySVP. Die FDP lehnt den Vorstoss ebenfalls ab, eine Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm sei kein wirksamer Schutz gegen Diskriminierung. Der abschliessende Bericht wird im Frühjahr 2018 dem Nationalrat vorgelegt. Queeramnesty unterstützt den Vorstoss, da LGBTI*-feindliche Hassaufrufe, Gewalt und Diskriminierungen mit der Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm Offizialdelikte und nicht nur gegen eine einzelne Person, sondern gegen die gesamte Gruppe strafbar wären.

Trotz der ernüchternden Aussicht auf gesetzlicher Ebene kämpft die LGBTI*-Gemeinschaft weiter für Aufklärung und Schutz gegen Diskriminierung und Hassverbrechen. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Kampagnen möchten wir Bewusstsein schaffen, mit einer nationalen Meldestelle (lgbt-helpline.ch) Opfern helfen und Zahlen erfassen, um auch der Regierung das Ausmass des Problems bewusst zu machen.

Doch auch jede_r Einzelne von uns kann und muss sich gegen Diskriminierung engagieren – helfen wir uns gegenseitig: Gemeinsam stoppen wir Hate Crimes.

Dieser Artikel erschient im Queeramnesty-Magazin Nr. 9.