Der bangladeschische LGBT-Aktivist Xulhaz Mannan wurde am 25. April in seiner Wohnung überfallen und brutal ermordet. Er starb für sein Engagement als Herausgeber des ersten LGBT-Magazins «Roopbaan» im südasiatischen Staat.

Xulhaz Mannan

Xulhaz Mannan, 13.10.1976–25.04.2016: Gestorben als Verfechter des Menschenrechts zu lieben. (Thomas Müller)

Fünf oder sechs unbekannte Männer haben Xulhaz in seiner Wohnung in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka überfallen. Als Mitarbeiter eines Kurierdienstes verkleidet gelangten die Täter ins Haus. Mit Macheten schlugen sie auf seinen Kopf ein, bis er tot war. Er starb mit 39 Jahren in einer Blutlache. Tanay Majumder, ein befreundeter Queer-Aktivist, der gerade bei ihm war, wurde genauso brutal ermordet. Die hochbetagte Mutter von Xulhaz verschonten die Täter, die unerkannt entkamen. Eine fundamentalistische islamistische Gruppe namens Ansar-al Islam, die sich als lokaler Zweig von Al-Qaida bezeichnet, bekannte sich am nächsten Tag zur Tat. Ihre «Begründung»: Xulhaz Mannan und Tanay Majumder seien hingerichtet worden, weil sie «Homosexualität praktiziert und gefördert» hätten. Die Täter hätten den Mord lange geplant und Mannan vermutlich mehrere Tage lang beobachtet, sagte der Chefermittler der Polizei.

US-Aussenminister John Kerry verurteilte die Tat als «barbarisch» und verlangte ihre Aufklärung. Auch die Vereinten Nationen und viele Länder verurteilten die Tat. Der deutsche Botschafter Thomas Prinz sprach von einem «Anschlag auf die Meinungsfreiheit». Es habe in den letzten Monaten zu viele Vorfälle dieser Art gegeben. Auch die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Bärbel Kofler, zeigte sich «tief erschüttert». Der Schweizer Pink-Apple-Mitbegründer Thomas Müller kannte Mannan persönlich: «Ein Mitstreiter und Freund ist tot.»

In den letzten Jahren sind in Bangladesch etliche Vertreter einer liberalen Zivilgesellschaft ermordet worden, darunter Blogger oder erst am Wochenende zuvor ein Hochschulprofessor. Mannan war Soziologe mit einem Abschluss in Friedens- und Konfliktforschung und arbeitete für die Entwicklungsbehörde USAID in der US-Botschaft. Angst vor Homophobie habe er keine, sagte Xulhaz vor gut drei Jahren bei einem Besuch in Zürich. Von Angst wolle er sich nicht leiten lassen. Dennoch war er stets vorsichtig. Er trete einzig «für das Menschenrecht auf Liebe» ein, beschied er jeweils jenen, die ihm «Förderung von Homosexualität» vorwarfen. Behutsam und eingebettet in die gesellschaftlichen Realitäten wollte er gegen die Ächtung von schwulen, lesbischen, trans* und anderen queeren Menschen in seiner muslimischen Heimat angehen. Ohne Gay Prides im westlichen Stil, ohne Geld aus dem Ausland, machte er sich daran, eine Bewegung zu schaffen, die breit getragen wird.

Hintergründe: Die Arbeit von Mannan und anderen LGBT-Aktivist_innen

Im Sommer 2014 publizierte er zum ersten Mal das LGBT-Magazin «Roopbaan». Das Heft erschien in der Landessprache Bangla und erreichte so viel breitere Schichten als es eine englischsprachige Publikation vermocht hätte. Unterschwellig war die erste Ausgabe ziemlich schwul, verbal aber relativ dezent. Die Autor_innen schrieben unter Pseudonymen, produziert wurde das Heft im Geheimen.

Für seine Zurückhaltung musste sich Xulhaz aus den eigenen Reihen auch Kritik gefallen lassen. Manch eine_r hätte sich deutlichere Worte und einen provokativeren Auftritt gewünscht, um die Gesellschaft aufzurütteln. Doch die Schar seiner Mitstreiter_innen wurde grösser. Das war seinem Charme und seiner manchmal an Sturheit grenzenden Zielstrebigkeit wohl ebenso zu verdanken wie seinem grossen Herz für all jene, die mit den vorgezeichneten Geschlechterrollen nicht allzu viel anfangen können. Und vielleicht auch der Tatsache, dass er viele der aufregendsten Partys der Stadt auf die Beine stellte, sei es bei ihm daheim oder mit Freunden in jeweils bis zuletzt geheim gehaltenen Lokalitäten. Das waren geschützte Räume in einer feindseligen Umgebung.

Rainbow Rally 4.4.2015 in Dhaka

Rainbow-Rally vom 4. April 2015 in Dhaka, Bangladesch. (Roopbaan)

Mit der Zeit wagten die Leute von «Roopbaan» mehr und mehr. 2015 mischten sie sich farbenfroh unter den traditionellen Umzug zum bengalischen Neujahr, um, verbal immer noch dezent, gegen Diskriminierung anzutreten. Dieses Jahr aber riefen sie im Klartext zu einer «Rainbow Rally» für den Neujahrsumzug am 14. April 2016 auf. Nun nannten sie die Sache beim Namen: Ausdrücke wie transgender, schwul, lesbisch, Diversität oder Toleranz standen in ihrem Pressecommuniqué. Doch nach einem Verbot durch die Polizei sagten sie die Rally ab. Trotzdem wurden vier Aktivist_innen verhaftet. Xulhaz setzte sich auf dem Polizeiposten den ganzen Tag für sie ein. Später übergab die Polizei die vier deren Eltern, nicht ohne diese offiziell über die sexuelle Orientierung der Verhafteten zu informieren – nicht alle waren daheim geoutet.

Wie die englische Zeitung «The Telegraph» berichtet, erhielten Xulhaz und einige seiner Freunde in jüngster Zeit Todesdrohungen. Und über eine Facebook-Gruppe verbreiteten islamistische Fundamentalisten Drohungen gegen die «Roopbaan»-Aktivisten. An die Polizei wollten sich Xulhaz und seine Freunde nach den schlechten Erfahrungen in den Tagen zuvor nicht wenden. Seit der Verhaftung und dem anschliessenden Zwangsouting befürchteten sie dort nur noch Schlimmeres. Schliesslich ist Homosexualität in Bangladesch offiziell immer noch strafbar.

«Eines Tages schlitzen sie mir noch die Kehle auf», soll Xulhaz gewitzelt haben. Er hat sich getäuscht. Sie haben ihm den Schädel eingeschlagen.

Text: Tobias Kuhnert (Queeramnesty), Thomas Müller (Mitbegründer Pink Apple)