Asexualität und Aromantik waren in der Schweiz bis vor kurzem schlicht kein Thema. Selbst die queere Gemeinschaft ignoriert diese Untergruppe häufig – sie ist in «LGBTQI+» quasi mitgemeint, das «A» wird im Kürzel nur selten angehängt. Wir haben uns mit drei Mitgliedern von Aro-Ace Spektrum Schweiz über ihre Situation unterhalten.
Text: Corin Schäfli
Wie geht ihr damit um, dass fast niemand mit Asexualität vertraut ist?
Nathalie: Es fehlt ganz klar an der Aufklärung. Wir hören oft Dinge wie: «Was, das kann doch nicht sein!» Und dann kommen alle diese Sprüche, dass doch alle Leute Sex mögen. Manchmal bringe ich einfach Ausreden, weil ich gerade keine Lust habe, mich zu erklären.
Jana: Besonders unangenehm ist es, bei Familienfeiern die ganze Zeit nach einem Partner oder einer Partnerin gefragt zu werden. Es ist schwierig, dass das Stereotyp der heteronormativen Familie so allgegenwärtig ist und es kaum Bücher, Filme oder Serien gibt, in denen asexuelle oder aromantische Charaktere vorkommen.
Natascha: Ich spüre aber auch den Druck, die Leute aufzuklären, damit unsere Lage besser wird. Deshalb gehe ich zum Beispiel zur Pride. Ich will zeigen: «Es gibt uns, wir sind hier!»
Hat sich in den letzten Jahren denn schon etwas verbessert?
Natascha: Schwer zu sagen. Ich selbst habe über YouTube von Asexualität erfahren. Ich denke schon, dass vermehrt über das Thema gesprochen wird.
Jana: Ich denke, in der Mainstream-Gesellschaft weiss noch immer kaum jemand Bescheid, aber in der queeren Community ist das Bewusstsein gewachsen. Das liegt natürlich auch daran, dass wir uns vermehrt sichtbar machen, zum Beispiel an der Pride oder im Regenbogenhaus.
Die meisten in eurem Netzwerk scheinen noch sehr jung – stimmt dieser Eindruck?
Natascha: Ja, die meisten sind unter 30, viele sogar unter 20, aber es gibt auch deutlich ältere Leute. Ich finde es besonders interessant, was die zu sagen haben, die in ihren 60ern sind und eine vollkommen andere Erfahrung gemacht haben. Damals wusste man ja noch viel weniger über das Thema als heute.
Jana: In der älteren Generation gibt es noch mehr Leute, die sich für längere Zeit auf eine Beziehung eingelassen haben, obwohl das für sie eigentlich nicht gepasst hat. Aber sie konnten nicht aussprechen, was mit ihnen los ist. Viele haben sogar geheiratet, bevor sie es herausfanden.
Wie sieht es heute mit der Vernetzung aus? Gibt es noch andere Organisationen als eure – und auch internationale Kontakte?
Jana: In der Schweiz gibt es meines Wissens nur uns. Aber wir teilen einen Discord-Server mit den deutschsprachigen Nachbarländern. Ausserdem gibt es in Deutschland die «Ameisenbären».
Nathalie: Im Vergleich zu Deutschland sind wir in der Schweiz sehr gut vernetzt, aber auch dort wird daran gearbeitet.
Sind beim Aro-Ace Spektrum Schweiz auch noch andere Varianten auf dem Spektrum vertreten, zum Beispiel Demi-/Fray oder Graysexualität?
Jana: Ja. Was diese Dinge für den Alltag einer Person bedeuten, ist aber zum Teil sehr unterschiedlich. Ich zum Beispiel gehe viel leichter unter dem Radar durch, weil ich einen Partner habe. Andere Leute, vor allem aromantische, haben es schwieriger, weil sie dadurch exponierter sind. Dafür haben Asexuelle in einer Beziehung mit noch mehr Missverständnissen zu kämpfen, wie zum Beispiel der Idee, dass man nicht mehr asexuell ist, wenn man Sex hat.
Nathalie: Zurzeit sind wir dabei, an unserer Website zu arbeiten, unter anderem ist es uns wichtig, die Definitionen möglichst inklusiv zu gestalten, damit sich Leute an allen Punkten des Spektrums angesprochen fühlen.
Was würdet ihr euch von der queeren Community wünschen?
Jana: Dass das «A» angehängt wird bei den Regenbogenbuchstaben. Das würde extrem helfen. Es würde uns mehr ins Bewusstsein der Leute bringen. Es ist frustrierend, dass das noch immer fast gar nicht gemacht wird.
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