Afrika: Wenn Liebe zum Verbrechen wird – Wachsende Homophobie im südlichen Afrika – Amnesty Report

aktuell Sep bis Dez. 2013: Briefaktionen für Kenia, Kamerun und Südafrika

Making Love a Crime – Titelblatt des Amnesty Reports.

Die Homophobie auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara hat ein gefährliches Ausmass erreicht: Zu diesem Schluss kommt Amnesty International in einem umfassenden Bericht zur Lage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) in den Ländern des südlichen Afrika.

Der 128-Seiten-Report untersucht sowohl die Gesetzeslage wie auch die Auswirkungen auf den Alltag von LGBTI.

«Schon das Vorhandensein von Gesetzen, die gleichgeschlechtliche Liebe unter Strafe stellen, sendet eine verheerende Botschaft an die Gesellschaft.»

Making Love a Crime – Criminalization of same-sex conduct in Sub-Saharan Africa. Amnesty International Report AFR 01/007/2013, 25 June 2013.

Amnesty Schweiz: Homophobie auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara.

Amnesty News:
25.06.2013: Rising levels of homophobia must be tackled (Englisch).
26.06.2013: African activists fight homophobia (Englisch, auch: Französisch, PDF).

Medien, DieStandard: Homophobie: Ein Erbe der Kolonialmächte.

von HRW:
Bericht zu Tansania: Police Abuse, Torture, Impede HIV Services (18.Juni 2013).
Aufruf an Behörden in Kamerun: Spate of Attacks on Rights Defenders (1.Juli 2013).

Mehr zu Afrika:
Burundi: Mein Land liebt mich nicht (Juni 2013, Queeramnesty DE)
Nigeria: Nicht Sex, aber gleichgeschlechtliche Beziehungen sollen bestraft werden (Mai 2013)
Sambia: Urgent Actions für Freilassung von Phil Mubiana (21) und James Mwansa (21) (Mai 2013)
Gambia: Ernsthafte menschrechtliche Bedenken zum neuen Strafgesetzbuch (Mai 2013)
Sambia: AIDS-Aktivist und zwei junge Schwule verhaftet – Freilassung gefordert (Mai 2013)
Zürich/Südafrika: Fotografin und visuelle Aktivistin Zanele Muholi am Pink Apple (April/Mai 2013)
Südafrika: Hassmord an Aktivistin: Weitere Aktionen und Solidarität (Mrz-Mai 2013)
Kamerun: Freispruch vor Obergericht – von Lynchjustiz überschattet (Jan 2013)
Uganda: Anti-Gay-Bill soll durchs Parlament gepeitscht werden (Nov/Dez 2012)
Uganda: Spannender Abend mit Film und Diskussion in Konstanz (Nov 2012)
Malawi: Justizminister suspendiert homophobe Gesetze – ein Schritt vorwärts (Nov 2012)
Kenia: In Zürich getroffen: Rhoda Awino von „Minority Women in Action“ (Okt 2012)
Algerien: Sechster Nationaler LGBT-Tag – auf der Suche nach Anerkennung (Okt 2012)
Zimbabwe: Bedrohung und Einschüchterung von LGBTI-Aktivist_innen durch die Polizei (Sep 2012)
Tansania: Gay-Aktivist und Outreach-Worker Maurice Mjomba erwürgt (Juli 2012)
Uganda: „Eure Unterstützung macht uns Mut“ – Interview mit Kasha Jacqueline Nabagesera (Juni 2012).
Tunesien: Menschenrechtsminister Samir Dilou untergräbt Menschrechte für LGBTI (Feb+Apr 2012)
Liberia: Trotz Friedensnobelpreis weiterhin Verfolgung von LGBT- Aktivist_innen (März 2012)
Tansania: Gezielte Stigmatisierung von Schüler_innen mit HIV/AIDS in Schulen (März 2012)
Senegal: Diskriminierung – Menschenrechte im Fokus vor den Wahlen am 26. Februar (Feb 2012)
Ruanda: Homophober Überfall auf Filmemacher Dady de Maximo (Nov 2011)
Nigeria: Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe verletzt die Verfassung des Landes (Nov 2011)

Afrika: Amnesty Appell an «Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrecht» (Mai 2012)

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Titelblatt, Bericht (DE)

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Liebe Verboten: LGBTI-Rechte in Afrika, 25.06.2013

Mitglied der kenianischen LGBTI Gruppe ‚Out in Kenya‘ in Nairobi

Seit einigen Jahren wird zunehmend von Übergriffen auf LGBTI-Personen in verschiedenen Ländern Afrikas berichtet. In dem Bericht „Making Love a Crime. Criminalization of Same-Sex Conduct in Sub-Saharan Africa“ dokumentiert Amnesty International Verfolgung und Diskriminierung von LGBTI in Afrika.

Kriminalisierung von LGBTI-Personen

In 38 afrikanischen Ländern stehen gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen bzw. Beziehungen unter Strafe. In Mauretanien, Sudan, Nordnigeria und Südsomalia droht Homosexuellen sogar die Todesstrafe. Seit einiger Zeit gibt es in einigen afrikanischen Ländern die Tendenz zu einer stärkeren Kriminalisierung von LGBTI-Personen. So haben Südsudan im Jahr 2008 und Burundi 2009 erstmals Verbote von gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen eingeführt. In Uganda und Nigeria gibt es seit 2009 bzw. 2008 immer wieder parlamentarische Versuche, eine Verschärfung bereits bestehender gesetzlicher Verbote durchzusetzen.

Dabei sind LGBTI-Personen bereits jetzt tagtäglich Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. In Kamerun werden Menschen immer wieder willkürlich verhaftet und angeklagt, weil jemand vermutet, dass sie homosexuell sein könnten. Von der Polizei werden sie misshandelt und von ihrer Familie verstossen. Von den Medien bekannt gemacht und als mutmassliche Homosexuelle denunziert, werden sie zur Zielscheibe für Übergriffe. Vergewaltigungen von Frauen, um sie von ihrer Homosexualität zu kurieren und Schikane sind keine Seltenheit. Dabei fühlen sich die TäterInnen umso mehr legitimiert, je öfter über eine Verschärfung bestehender Verbote diskutiert wird und führende PolitikerInnen und ReligionsvertreterInnen Homosexualität als unmoralisches, krankhaftes Verhalten darstellen.

Von Juni bis November 2012 wurden in Südafrika mindestens sieben LGBTI-Personen getötet, obwohl Südafrika zu den Pionieren beim Schutz der Rechte von LGBTI gehört. Südafrika war das erste Land der Welt, das 1996 Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung verbot und 2006 die gleichgeschlechtliche Ehe einführte. Dennoch scheint ein grosser Teil der Gesellschaft diese progressive Gesetzgebung nicht nachvollzogen zu haben. Denn in kaum einem anderen afrikanischen Land gibt es so viele physische Übergriffe auf mutmassliche LGBTI-Personen, die z.T. mit dem Tod enden. 80% der SüdafrikanerInnen lehnen Homosexualität ab und zwei Drittel würden die Verfassung diesbezüglich ändern.

Gesellschaftliche Ausgrenzung

Die Verfolgung hat auch eine soziale und wirtschaftliche Dimension. LGBTI wird z.T. medizinische Behandlung vorenthalten, weil das medizinische Personal befürchtet, wegen vermeintlicher Unterstützung von LGBTI selbst Opfer von Verfolgung zu werden. Besonders schwierig gestaltet sich für LGBTI zudem die Suche nach Arbeit, aber auch nach einer Unterkunft. Von der Gesellschaft ausgeschlossen laufen LGBTI Gefahr, in die Illegalität abzurutschen.

„1992 wurde ich vergewaltigt und dadurch mit HIV infiziert. Ich war 16 und habe versucht, heterosexuell zu werden. Zwei Jahre lang habe ich versucht, mit einem Mann eine Beziehung zu führen. Ich fühle mich in meinem eigenen Land wie ein Flüchtling. An meinem letzten Wohnort wurde ich von Menschen mit Steinen beworfen, mit denen ich früher befreundet war. Ich lebe ein Leben aus Lügen“ berichtet Stosh, ein Transgender Mann und LGBTI-Aktivist über sein Leben in Uganda.

Historisches Erbe

Der neue Bericht von Amnesty International zeigt, dass Liebe nicht unafrikanisch ist, sondern erst mit der Kolonialisierung kriminalisiert wurde. Doch während die ehemaligen Kolonialmächte abzogen und Verbote gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen und Beziehungen in den eigenen Ländern aufhoben, blieben die Verbote in den ehemaligen Kolonien bestehen. Über 40 afrikanische Ethnien tolerierten beispielsweise die Ehe zwischen zwei Frauen. Die Shona in Simbabwe akzeptierten Frauen, die sich als Männer fühlten sowie Männer, die sich als Frauen fühlten und hatten sogar eigene Worte für sie. Bei den Langi in Uganda wurden Männer auf Wunsch als Frauen angesprochen und durften Männer heiraten.

Positive Entwicklungen

Es gibt auch positive Entwicklungen. So hat Kap Verde 2004 das Verbot gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen abgeschafft. Mauritius, die Seychellen und São Tomé und Príncipe haben angekündigt, entsprechende Bestimmungen aufzuheben. Einige Länder wie Mosambik und Botswana haben Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung gesetzlich verboten.

Ausserdem wird die Anzahl zivilgesellschaftlicher Akteure in Afrika, die sich für die Rechte von LGBTI einsetzt, beständig grösser, denn entsprechend Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren.