Kurz vor Weihnachten erteilte der Bundesrat der Einführung eines dritten Geschlechts in der Schweiz eine kühle Absage, die den Eindruck hinterliess, das Gremium habe sich nicht sonderlich intensiv oder interessiert mit dem Thema auseinandergesetzt. Die von Konservativen dominierte Landesregierung hielt fest, dass das binäre Geschlechtermodell in der schweizerischen Gesellschaft nach wie vor stark verankert sei – für Veränderungen brauche es zunächst einen entsprechenden gesellschaftlichen Diskurs. Zudem wäre der Aufwand gross, müssten doch diverse Gesetze und sogar die Verfassung angepasst werden.

Der Bundesrat berief sich dabei auch auf Aussagen der Nationalen Ethik­kommission, die sich 2020 intensiv mit der Frage befasst hatte und ebenfalls noch gesellschaftlichen Diskussionsbedarf feststellte. Deren Hauptbotschaft jedoch ignorierte er: Die heutige Regelung sei unbefriedigend, und die Viel­falt der Geschlechtsidentitäten werde ungenügend berücksichtigt. Konkret empfahl die Ethikkommission zuerst die Einführung einer oder mehrerer neuer Geschlechtskategorien, dann die Prüfung der Abschaffung des Geschlechtseintrags.

Studien zeigen klar, dass non­binäre Personen im Schnitt eine schlechtere psychische Gesundheit haben – auch weil ihre Geschlechtsidentität als wichtiger Teil der Persönlichkeit nicht offiziell anerkannt wird und ungeschützt bleibt. Dass ein Diskurs in der Gesellschaft durchaus bereits stattfindet, illustriert unter anderem Roland Peterhans, der Präsident des Schweizerischen Verbands der Zivilstandsämter, der sich deutlich für ein Drittes Geschlecht ausspricht. Zwar betreffe es nur wenige, sagte er letztes Jahr dem «Migros­Magazin», doch «dem Rest der Bevölkerung tut es nicht weh, während es den Betroffenen das Leben erleichtert».

Und genau das ist es, was so frustrierend ist: Eine dritte Geschlechtskategorie nimmt niemandem etwas weg, betrifft die grosse Mehrheit schlicht nicht, wäre für non­binäre Menschen jedoch ein gewaltiger Fortschritt. Ein Fortschritt, den rund 20 andere Nationen schon vollzogen haben, darunter die USA, Deutschland, Österreich, Kanada, aber auch Indien, Nepal oder Pakistan.

Statt für einmal halbwegs vorne mit dabei zu sein, macht die Schweiz, was sie immer tut: lieber erst mal abwarten. Dass sie irgendwann nachzieht, ist klar – bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder so lange dauert wie bei der «Ehe für alle». Die Niederlande führte diese als erstes Land überhaupt 2001 ein, die Schweiz 2022. Die Grünen haben angekündigt, das Thema im Parlament voranzutreiben. Wir wünschen gutes Gelingen!

Am 1. April findet um 14 Uhr am Unteren Waisenhausplatz in Bern eine Demonstration unter dem Motto «We exist – Wir fordern den 3. Geschlechtseintrag JETZT!» statt. Weitere Infos: www.nonbinary.ch/we-exist/