Queeramnesty feiert dieses Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Passend dazu erhält unser Kernanliegen eine grosse Bühne: Das Motto des diesjährigen Zurich Pride Festivals lautet «No Fear To Be You – Sicherheit für LGBT-Flüchtlinge». Wir wollten wissen, was das für die beteiligten Organisationen ganz konkret bedeutet.

Die Veranstaltungen und der Demonstrationsumzug zur Pride in Zürich stehen jedes Jahr unter einem Motto, so dass verschiedene Facetten und Forderungen der queeren Community eine Plattform erhalten. Was für ein schöner Zufall, dass unser Jubiläumsjahr mit einem zu uns passenden Pride-Motto zusammenfällt. Sicherheit für LGBT-Flüchtlinge* war und ist ein Kernanliegen von Queeramnesty – und auch eine Motivation für das Engagement der vielen freiwilligen Aktivist_innen. Doch wie schaffen es die an der Pride teilnehmenden Organisationen, dass dieses Motto nicht zur leeren Worthülse verkommt, sondern ihm Taten folgen? Wie engagieren sie sich an der Pride und ausserhalb für dieses Anliegen? Wir machten uns auf eine Spurensuche bei den Partnern und Sponsoren (soweit bis Redaktionsschluss bekannt) wie auch den Organisator_innen der Pride.

Die Partner

Die Pride-Partner sind die Organisationen, welche die Pride mittragen, allenfalls einen Stand auf dem Festivalgelände haben und am Umzug teilnehmen. An der Pride selbst zeigen sie kein spezielles Engagement, sie solidarisieren sich aber in ihren Antworten mit dem Motto. Ihre Teilnahme an der Pride sehen sie als Ausdruck ihrer Unterstützung der Forderungen.

Der Dachverband Regenbogenfamilien sieht sein Engagement ausserhalb der Pride darin, via Soziale Medien Informationen zum Thema LGBT-Flüchtlinge weiterzugeben und auf Missstände aufmerksam zu machen. Ausserdem unterstützt er weltweit Regenbogenfamilien, die Asyl in der Schweiz oder anderswo beantragen wollen. Hierfür steht er in Kontakt mit Behörden, anderen NGOs und Institutionen der Politik auf schweizerischer und europäischer Ebene. Durch dieses starke und vielfältige Netzwerk konnte er beispielsweise bei einer in Finnland asylsuchenden Regenbogenfamilie intervenieren und Unterstützungsnetzwerke aktivieren. Als vor einigen Jahren die Gesetzeslage in Russland für Regenbogenfamilien verschlechtert worden ist, hat sich der Dachverband stark für die dortigen Regenbogenfamilien engagiert, sie in Fragen zur Aslybeantragung beraten und mit anderen Regenbogenfamilien in Europa vernetzt.

Die Milchjugend organisiert gelegentlich Aktionen mit und motiviert ihre Mitglieder, daran teilzunehmen. Beispielsweise an der Aktion im April in Bern gegen die Verhaftung, Folterung und Ermordung von schwulen, bisexuellen oder als solche vermuteten Männer in Tschetschenien, bei der auch gefordert wurde, den Betroffenen Asyl in der Schweiz anzubieten. Ausserdem unterstützt und fordert die Milchjugend sichere Räume für queere Asylsuchende. Allerdings mit der Argumentation, dass dies auch «uns» nützt. Sie sind der Meinung, dass sie für ihre Mitglieder zuerst ein Umfeld schaffen müssen, damit diese genügend Selbstbewusstsein besitzen, um sich danach für «andere» einsetzen zu können.

PinkCop hat zwei geflüchtete Frauen als Mitglieder aufgenommen, die in der Ostukraine Polizistinnen waren und unterstützt sie. Beispielsweise setzt die Gruppe sich bei den Behörden für die beiden Flüchtlinge ein, hilft ihnen aber auch auf persönlicher Ebene, integriert sie in den Verein und ermöglicht ihnen soziale Kontakte. Im Zusammenhang mit dem Pride-Motto sei PinkCop mehrmals gefragt worden, ob ihre Teilnahme nicht asylsuchende Personen und Sans-Papiers abschrecken könnte. PinkCop betont deshalb, ein unabhängiger Verein zu sein. Das Engagement der Mitglieder für den Verein finde in der Freizeit statt; es gebe keinen staatlichen Auftrag. PinkCop setzt sich für die Sichtbarkeit von LGBT bei der Polizei sowie gegen homo- und transphobe Übergriffe ein und bietet sich somit als Diskussions- und Ansprechpartner zum Abbau von Vorurteilen an – sowohl innerhalb der Polizei gegenüber LGBT als auch innerhalb der Community gegenüber der Polizei.

WyberNet wird an der Pride mit dem Banner «We march for those who can’t» mitlaufen, worunter sie auch LGBT-Flüchtlinge verstehen, die nicht an Prides teilnehmen können. Die von WyberNet gemeinsam mit Network geführte Bar wird unter dem Motto «Alle in einem Boot» stehen. Dies solle versinnbildlichen, dass sich alle LGBT-Menschen miteinander solidarisieren sollten, unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Man sei aufeinander angewiesen und könne gemeinsam auch etwas erreichen.

Network engagiert sich in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen der queeren Community und organisiert gelegentlich gemeinsam mit ihnen – so auch schon mit Queeramnesty – Veranstaltungen, bei denen über die Situation von LGBT-Menschen in anderen Ländern berichtet und diskutiert wird, auch über LGBT-Flüchtlinge und Asyl. Hierbei steht häufig Russland auf der Traktandenliste. Zur dortigen LGBT-Community hat Network enge Kontakte und unterstützt sie. Im Zusammenhang mit der Schwulenverfolgung in Tschetschenien spendet Network dem russischen LGBT-Dachverband Geld, um die Direkthilfe vor Ort voranzutreiben. Zudem hat Network einen Solidaritätsfonds, der LGBT-Menschen, also auch LGBT-Flüchtlingen, in Notsituationen finanzielle Direktunterstützung anbietet.

Pink Cross will mit anderen Organisationen zusammen evaluieren, wie er sich für LGBT-Flüchtlinge einsetzen und bestehende Projekte unterstützen kann. Dies ist eines der Schwerpunktthemen des Schweizer Dachverbands der Schwulen. Weiter sensibilisiert Pink Cross über seine Kanäle für das Thema.

Offstream läuft an der Pride unter dem Motto «Menschenrechte für alle überall», das sie in verschiedenen Sprachen auf einem Banner präsentieren. Thematisch legt Offstream in ihrer Kommunikation auf Facebook und in ihren Newsletters den Fokus auf die Türkei und spendet an dortige LGBT-Organisationen. Ausserhalb der Pride werden die Gewinne der Offstream Veranstaltungen an LGBT-Organisationen in aller Welt gespendet – ein indirektes Engagement zur Verbesserung der Lebenssituation in den Herkunftsländern der queeren Flüchtlinge. Ausserdem verschenkt Offstream für ihre Partys Eintritte an die von Queeramnesty betreuten Flüchtlinge.

Die Sponsoren

Die UBS verfasst zusammen mit der Credit Suisse das Editorial im Pride-Magazin und schreibt weiter: «Damit würden wir es gerne belassen und uns zu den unten erwähnten Punkten nicht speziell äussern.» Die Credit Suisse äussert sich ebenfalls nicht zum Motto, sondern unterstütze, wie die UBS, nur ihre eigenen LGBT-Mitarbeitenden aktiv. Auch Coca-Cola will sich nicht zum Pride-Motto äussern, da dieses politisch sei und sie sich grundsätzlich nicht politisch äussern wollten. Sie hätten sich mit ihm auch nicht auseinandergesetzt, sondern unterstützten die Pride, weil es ein Event sei, bei dem «Lebensfreude im Zentrum» stehe und bei dem Coca-Cola seine Produkte unter die Leute bringen könne. Red Bull blieb eine Antwort schuldig.

Es kommt zum Ausdruck, dass sich die grossen, kommerziellen Pride-Sponsoren nicht aktiv um das Motto der Pride kümmern wollen. Ihr Sponsoring hat nicht das Ziel, die Pride als politische Demonstration zu unterstützen, sondern als Party, bei der sie sich durch postulierte Offenheit neue Kund_innen erhoffen. Das ist keine Überraschung und verständlich – zumindest sind die UBS und Coca-Cola so ehrlich, dies auch so zu sagen. Positiv anzurechnen ist UBS und Credit Suisse, dass sie die Pride-Organisator_innen eingeladen haben, über LGBT-Flüchtlinge einen Vortrag zu halten – eine Auseinandersetzung mit dem Thema findet also doch statt.

Ein engagierter Sponsor ist die Aids-Hilfe Schweiz. Sie unterstützt finanziell und beratend verschiedene Projekte anderer Organisationen für LGBT-Flüchtlinge sowie Sans-Papiers. Weiter steht der Solidaritätsfonds der Aids-Hilfe für HIV-positive Menschen natürlich auch LGBT-Flüchtlingen offen, die finanzielle Unterstützung brauchen. Sowohl auf individueller, persönlicher Ebene wie auch als Zielgruppe bei Präventionskampagnen werden LGBT-Flüchtlinge unterstützt und angesprochen.

Die Organisator_innen

Auch von den Organisator_innen der Pride wollten wir wissen, wie sie ihr Motto bekannt machen und die Partner und Sponsoren zum Engagement bewegen. Hierbei setzen sie vor allem auf Soziale Medien, in denen das Motto und die Begründung dafür verbreitet werden, wie auch auf das Pride-Magazin, in dem einige Artikel dazu erscheinen und das in queeren Bars und andere Queer-Community-Lokalen aufliegt. Weiter treten sie über Soziale Medien in eine Diskussion mit der queeren Community, was zu einer Sensibilisierung beitragen dürfte. Ausserdem hoffen sie, dass die Medien das Motto und die Forderungen in ihrer Berichterstattung über die Pride aufgreifen werden. Für Veranstaltungen während der Pride-Week seien die Partner gebeten worden, das Motto zu berücksichtigen, was teilweise auch getan wurde. Da die Organisator_innen diese Veranstaltungen finanziell unterstützen, könnten sie das Motto allerdings noch stärker in den Fokus rücken, indem sie nur jene Anlässe unterstützen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Die Organisator_innen der Pride haben mit dem diesjährigen Motto ein wichtiges Zeichen gesetzt und ein bedeutendes Thema in den Fokus gerückt. Ihre Begründungen wie auch die Forderungen sind umfassend, inklusiv und richtig (nachzulesen auf www.zurichpridefestival.ch). Besonders in der aktuellen politischen Situation ist es äusserst erfreulich, dass die grösste Pride der Schweiz eine klare Haltung vertritt: Fremdenhass ist keine Option, Rassismus ist keine Meinung, Intoleranz darf keinen Platz haben – besonders nicht in der queeren Community, die selber Toleranz fordert und auf solche angewiesen ist. Oder wie es die Pride-Organisator_innen formulieren: «Niemand soll Angst haben, sich selbst zu sein! Wir sind eine Community – weltweit.»


*Anders als bei Queeramnesty üblich sprechen wir in diesem Artikel nur von LGBT und nicht von LGBTIQ*, weil auch das Motto der Pride nur LGBT nennt.