Am 4. Januar 2021 setzte die Polizei bei einer grösstenteils friedlichen Protestveranstaltung in der Istanbuler Bosporus-Universität Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Menge zu zerstreuen. Bei darauffolgenden Hausdurchsuchungen zwischen dem 5. und 7. Januar wurden mindestens 45 Studierende festgenommen, weil sie an der Protestveranstaltung teilgenommen haben sollen. Viele von ihnen gaben an, dabei gefoltert oder anderweitig misshandelt worden zu sein. Die Strafverfolgungsbehörden müssen diese Vorwürfe untersuchen und die dafür verantwortlichen Sicherheitskräfte vor Gericht stellen.

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Brief geht an:

Generalstaatsanwalt Mr Şaban Yılmaz
Çağlayan Meydanı
Şişli Merkez Mah.
Abide-i Hürriyet Cad. No: 223
Şişli / İstanbul
TÜRKEI

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Hintergrund

Studierende der Bosporus-Universität in Istanbul versammelten sich am 4. Januar 2021, um gegen die Ernennung des neuen Rektors Melih Bulu durch Präsident Erdoğan zu protestieren. Zwischen dem 5. und 7. Januar führten bewaffnete BeamtInnen der Spezialeinheit Ozel Harekat Hausdurchsuchungen durch. Zahlreiche Studierende gaben an, dabei gefoltert oder anderweitig misshandelt worden zu sein. Die Sicherheitskräfte lösten die überwiegend friedliche Menge mithilfe von Tränengas und Wasserwerfern auf. Einige Studierende wurden über den Boden geschliffen, geschlagen und kurzzeitig in Gewahrsam genommen.

Laut ihren Rechtsbeiständen und von Amnesty International geführten Gesprächen mit den Betroffenen wurden die bei den Hausdurchsuchungen festgenommenen Studierenden misshandelt, indem die Sicherheitskräfte sie stiessen, sie zwangen sich hinzulegen, ihnen die Hände auf dem Rücken fesselten und sie in dieser Position eineinhalb Stunden lang festhielten. Ein_e StudentIn soll mit einem Polizeihelm auf den Kopf geschlagen worden sein und ein_e andere_r StudentIn gab an, dass ihm/ihr die BeamtInnen eine Pistole an den Kopf hielten, kurz nachdem sie das Haus betreten hatten. Mindestens acht Studierende beschrieben, dass sie gewaltsamen Leibesvisitationen unterzogen wurden – zum Teil mehr als einmal. Zwei LGBTI+-Studierenden soll sogar mit einer Vergewaltigung durch den Schlagstock gedroht worden sein. Ausserdem beleidigten die Sicherheitskräfte sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihrer Geschlechtsidentität. Während der Festnahme wurden sämtlichen Studierenden die Hände auf den Rücken gefesselt, während sie am Boden lagen. Bis heute liegen Berichte von mindestens 15 Studierenden vor, wonach sie auf dem Gelände des Krankenhauses, wohin man sie zu medizinischen Untersuchungen gebracht hatte, misshandelt wurden. Ein_e StudentIn geht davon aus, dass ihre_seine Misshandlung von dort anwesenden Personen gefilmt wurde.

Nach türkischem Recht und unter den beiden internationalen Menschenrechtsabkommen, deren Vertragsstaat die Türkei ist, darf das Recht auf Versammlungsfreiheit nicht willkürlich eingeschränkt werden. Folter und andere Misshandlungen sind nach türkischem und internationalem Recht unter allen Umständen verboten.

Alle während der Protestveranstaltung und den Hausdurchsuchungen festgenommenen Personen sind in der Zwischenzeit freigekommen, die Mehrheit von ihnen steht allerdings weiterhin unter gerichtlicher Kontrolle. Das Risiko der strafrechtlichen Verfolgung bleibt damit bestehen.