Amnesty International ist bestürzt über den Entscheid des Gouverneurs von Ankara, einen für den 22. Mai geplanten Marsch zum Internationalen Tag gegen Homo-, Trans- und Biphobie (IDAHOT) zu verbieten.

Ankaras Gouverneur informierte die Organisatoren des IDAHOT-Marschs am 20. Mai, dass dieser nicht stattfinden könne, «weil gewisse Gruppen reagieren könnten und es aufgrund von sozialen Sensibilitäten Provokationen gegenüber den Teilnehmern geben könnte». KAOS GL, eine der Gruppen, die den Marsch organisierten, legte noch am gleichen Tag Berufung beim Administrations-Gericht in Ankara ein und erreichte eine Aufhebung des Verbots.

Doch das Büro des Gouverneurs legte seinerseits beim nächst höheren Gericht Berufung ein, welches den Entscheid des Gouverneurs stützte, worauf das Verbot rechtsgültig war: Der Marsch konnte nicht stattfinden.

Amnesty International ist bestürzt über die Hartnäckigkeit der Behörden, den Marsch zu verhindern. Die Menschenrechtsorganisation ist der Ansicht, dass «soziale Sensibilitäten und Drohungen» keine vernünftigen Gründe darstellen, den IDAHOT-Marsch zu verbieten. Internationale Gesetze anerkennen das Recht zur Versammlung und zur Ausdrucksfreiheit – und diese gilt auch für Ansichten, die andere vor den Kopf stossen könnten.

Turkey Pride 2015

Bei der Istanbul Pride 2015 ging die Polizei mit Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Teilnehmenden vor.

Das Verbot ist laut Amnesty eine unverhältnismässige Einschränkung dieser Rechte. LGBTI*-Menschen sollten die Freiheit haben zu marschieren und ihre Botschaft von Gleichberechtigung, Toleranz und Nicht-Diskriminierung zu verbreiten, ohne Angst vor Einschüchterung oder vor Gewalt haben zu müssen. Nicht nur hätten die türkischen Behörden den Marsch stattfinden lassen sollen – sie hätten auch für einen entsprechenden Schutz der Teilnehmenden sorgen müssen.

Amnesty hält ausserdem fest, dass derartige Einschränkungen von Ausdrucks- und Versammlungsfreiheit in der Türkei mittlerweile zur Routine geworden sind, begleitet von unnötiger und teils exzessiver Gewalt der Polizei gegenüber friedlichen Protestierenden. Letztes Jahr etwa wurde der Pride-Marsch in Istanbul von Polizeikräften mittels Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst. Mit ähnlichen Mitteln wurde am 6. März auch eine Versammlung zum Internationalen Frauentag verhindert.

www.amnesty.org/en/documents/eur44/4102/2016/en/

Text/Übersetzung: rk