Die Genfer Fotografin Laurence Rasti hat sich mit der Situation homosexueller iranischer Flüchtlinge in der Türkei beschäftigt. QUEERAMNESTY hat mit ihr gesprochen.

Laurence Rasti (26) setzt sich in ihren Arbeiten häufig mit Identität(en) auseinander und hat beispielsweise schon wunderbar queere Fotografien gemacht, welche die Geschlechterrollen und -normen in Frage stellen. Der rote Faden in ihren Werken ist also erkennbar: Es geht um die Freiheit, gemäss der eigenen Identität leben zu können und nicht aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung eingeschränkt zu werden. Die Serie „il n’y a pas d’homosexuels en Iran“ – der Name ist ein Zitat des früheren iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedjad aus dem Jahr 2007 – entstand als ihre Bachelorarbeit in Fotografie und hat auch eine persönliche Note: Ihre Eltern stammen aus dem Iran, weshalb sie sich für das Land interessiert. Da Laurence Rasti in der Schweiz geboren ist und den Iran nur aus den Ferien kennt, war es für sie naheliegender, iranische Flüchtlinge in der Türkei zu porträtieren, statt im Iran selber zu arbeiten. Die Flüchtlinge befinden sich in der Türkei „zwischen Orient und Okzident“ und spiegeln damit ein Stück weit die transkulturelle Identität der Fotografin.

Rasti_07Laurence Rasti hat die Interviews mit den Flüchtlingen in der türkischen Stadt Denizli geführt. Meist mussten die Betroffenen das Land Hals über Kopf verlassen, weil sie als Schwule denunziert wurden oder sonst in einer Situation waren, die sie zu einer sofortigen Flucht gezwungen hat. Im Iran steht auf Homosexualität im Wiederholungsfall die Todesstrafe, daher lebt dort kein Schwuler offen. Der häufigste Grund für die Flucht war die Liebe. Weil sie ihre gleichgeschlechtliche Beziehung im Iran nicht leben konnten, waren sie gezwungen, das Land zu verlassen. Viele Flüchtlinge sind denn auch häufig als Paar geflohen. Die Suche nach einem Ort, an dem sie ihre Liebe frei und gleichberechtigt leben können, ist ihr Antrieb.

Für einige Homosexuelle ist es ein Ausweg, im Iran als Trans* zu leben. Wer dies nicht kann oder will, dem bleibt nur die Flucht. Trans*menschen haben im Iran eine gewisse Akzeptanz, auch auf rechtlicher Ebene. Um eine Geschlechtsangleichung zu machen, gibt es aber gleichwohl einige Schwierigkeiten und Trans* wird dennoch als Krankheit angesehen. Trans*frauen haben es meist schwerer, weil das Passing häufig schlechter ist als bei Trans*männern. Trans*menschen bleibt häufig nichts anderes übrig, als sich mit Prostitution den Lebensunterhalt zu verdienen.

Die Türkei ist eines der wenigen Länder, für das Iraner_innen kein Visum brauchen. In Denizli hat es besonders viele homosexuelle und Trans*-Flüchtlinge – unter Gleichgesinnten lebt es sich einfacher. Freiwillige schätzen die Zahl der queeren Flüchtlinge, nicht nur aus dem Iran, auf einige Hundert. Die Stadt hat die Queers jedoch nicht unbedingt mit Freude erwartet; die meisten Einwohner_innen dort sind konservativ-religiös und homophob. Auch wenn Homosexualität in der Türkei legal ist: Akzeptiert ist sie keineswegs, und offen homosexuell zu leben, empfiehlt sich nicht. Viele der Flüchtlinge arbeiten illegal in den Textilfabriken, werden ausgenutzt, und wenn der Chef erfährt, dass ein Arbeiter schwul ist, wird er diesen sofort entlassen. Das Versteckspiel geht also weiter.

Die Flüchtlinge wollten nicht viel über ihre schmerzliche Vergangenheit sprechen, aber eines betonten sie immer wieder: Das Schwerste an der Flucht waren die Folgen für ihre Beziehung zur eigenen Familie. Diese weiss häufig nichts von der Homosexualität ihres Sohnes oder Bruders und versteht ihre Flucht daher nicht. Und wenn sie es weiss, wird das Thema vollständig tabuisiert. Die sexuelle Orientierung kommt also nie zur Sprache, selbst nach der Flucht nicht. Die Flüchtlinge müssen auch heute noch lügen in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung.

Rasti_12Als Asylbewerber_in in der Türkei haben die Flüchtlinge keinen Anspruch auf Sozialleistungen und dürfen nicht arbeiten. Sie werden betreut vom UNHCR (Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge), das ihnen bei einem positiven Asylentscheid nach rund zwei Jahren ein Visum für einen Drittstaat ausstellt – meistens für die USA oder Kanada, kaum je für Europa. Für Iraner_innen,die aus politischen Gründen fliehen, beträgt die Wartezeit nicht selten fünf Jahre. Daher gibt es Flüchtlinge, die vorgeben, homosexuell zu sein, um die Wartezeit zu verkürzen.

Laurence Rasti hat weiterhin Kontakt mit vielen der Porträtierten. Rund 80% von ihnen haben mittlerweile Asyl in den USA oder Kanada erhalten, wo sie sich sehr schnell integriert haben und nun arbeiten oder studieren. Es gibt auch lesbische Flüchtlinge aus dem Iran. Sie sind jedoch weniger sichtbar und werden auch weniger wahrgenommen, weil es weniger „verdächtig“ ist, wenn zwei Frauen Zeit miteinander verbringen als zwei Männer. In Bezug auf Diskriminierung, Anerkennung und Gleichberechtigung erleben sie jedoch das gleiche wie die Schwulen. Die Fotografin wird ihr Projekt fortsetzen und in einem nächsten Schritt zusätzlich Lesben und Trans*menschen porträtieren.

Durch die Fotografie, die für Laurence Rasti eine Form des Journalismus ist, kann ein Thema sehr direkt an die Betrachter_innen herangetragen werden: „Um die Botschaft der Fotografie zu verstehen, braucht es keine Worte.“ In ihren Fotografien ist sehr eindrücklich zu spüren, dass die Betroffenen nicht als Opfer dargestellt werden wollen. Das Thema Homophobie ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Nur das Wissen über den Hintergrund des Projekts und die Geschichte der Betroffenen bringt sie zum Vorschein – und zumindest dafür braucht es Worte.

Wenn sie mit ihrer Kunst nur schon einige Meinungen ändern kann, sieht sie dies als Erfolg. Das relativ grosse Medieninteresse hat Laurence Rasti denn auch überrascht, und sogar im Staatssekretariat für Migration in Bern wurden ihre Werke ausgestellt. Sie hat mit ihren Fotos sicher dazu beitragen können, dass die Situation der Schwulen im Iran vielen Menschen bewusster geworden ist im Iran selbst allerdings hat wohl leider kaum jemand ihre Arbeit wahrgenommen.

LAURENCE RASTI

Webseite. www.laurencerasti.ch

Die Fotografien von Laurence Rasti sind noch bis am 31. Juli im Kunst(Zeug)Haus in Rapperswil-Jona im Rahmen der Ausstellung „Y’a pas le feu au lac. Junge Kunst aus der Romandie“ zu sehen. www.kunstzeughaus.ch

Ausserdem vom 14. bis 19. Juni in Basel an den Swiss Design Awards 2016, Halle 3. www.swissdesignawards.ch 

Dieser Artikel erschient im Queeramnesty Magazin Nr. 3.