Schweiz: Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Asylpolitik – neun Vorschläge von Amnesty International und Schweizerischer Flüchtlingshilfe

Durchgangszentrum Steinhausen ZG. © SFH

Unter dem Motto «Jetzt ist Zeit» präsentieren Amnesty International und die Schweizerische Flüchtlingshilfe neun Vorschläge für ein faires, glaubwürdiges und effizientes Asylverfahren. Dazu gehören kurze Verfahren, unabhängiger Rechtsschutz, eine menschenwürdige Unterbringung mit professioneller Betreuung, Rückkehrhilfen und eine Qualitätskontrolle durch die Zivilgesellschaft.

Links:

Dokumente, Medienkonferenz:

LOS-Info 1/2012: Interview mit Pascale von Focus Refugees (PDF, 2 Seiten, 66 kB, Deutsch/Französisch)
Mehr über Focus Refugee von Queeramnesty
Focus Refugees – ASYL: Kontakt für Beratung und Begleitung (aktuell)
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Die Neun Vorschläge

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Neun Vorschläge für ein faires und glaubwürdiges Asylverfahren

Amnesty International und die Schweizerische Flüchtlingshilfe präsentierten der Öffentlichkeit neun Vorschläge für ein faires, glaubwürdiges und effizientes Asylverfahren.

  1. Effizienz: Kurzes Verfahren mit klarem Verfahrensablauf

    Das Verfahren für einfache und klare Fälle ohne weiteren Abklärungsbedarf wird verkürzt. Allen am Verfahren Beteiligten (Asylsuchende, Rechtsvertretung, BFM, Bundesverwaltungsgericht) wird gleich viel Zeit eingeräumt. Die Fristen sind für alle am Verfahren Beteiligten verbindlich. Kurze, faire und glaubwürdige Verfahren sind für alle Beteiligten von Vorteil und sparen letztlich Kosten.

  2. Fairness: Unabhängiger und professioneller Rechtsschutz für alle

    Keine Asylpolitik auf dem Rücken der Schwächsten. © Jacek Pulawski

    Voraussetzung für ein beschleunigtes Verfahren sind eine gute Vorinformation der Asylsuchenden über das Verfahren sowie die Verbesserung des Rechtsschutzes. Alle Asylsuchenden haben während des gesamten Verfahrens Zugang zu einer unabhängigen und qualifizierten Rechtsberatung und -vertretung. Die Einführung eines Rechtsschutzmodells sichert die Einhaltung der Verfahrensrechte und trägt zur Beschleunigung des Verfahrens bei, da der Sachverhalt vollständiger abgeklärt wird und Entscheide besser nachvollzogen und akzeptiert werden können.

  3. Glaubwürdigkeit: Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit für alle

    Ziel des Verfahrens ist es, herauszufinden, ob eine Person des Schutzes der Schweiz bedarf oder nicht. Ein qualitativ hoch stehendes, effizientes Verfahren ermöglicht rasche, faire und jedem Einzelfall gerecht werdende Entscheide. Effizienz geht nicht auf Kosten des Rechts auf effektive Beschwerde und der verwaltungsverfahrensrechtlichen Prinzipien.

  4. Dezentralisierte, menschenwürdige Unterbringung

    Die Unterbringung orientiert sich an menschenrechtlichen Standards. Asylsuchende werden nicht isoliert, die Unterbringung ist so gestaltet, dass die Grundrechte der Betroffenen gewahrt und ihre Integrations- respektive Rückkehrfähigkeit erhalten bleiben. Die Bedürfnisse von besonders Verletzlichen und Kindern werden vorrangig respektiert. Das Familienleben wird respektiert.

  5. Professionelle Betreuung für einfachere Integration und Konfliktprävention

    Flüchtlingslager in der Türkei. © UNHCR/A. Branthwaite

    Professionelle Betreuung sowie Beschäftigungsangebote werden ausgebaut und verbessert. Solche An-gebote entsprechen nicht nur dem Bedürfnis der Betroffenen, sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Prävention von Konflikten und von Kleinkriminalität und tragen zur Reduktion der Sicherheitskosten bei. Angebote wie Sprachkurse und Beschäftigungsprogramme erleichtern die Integration. Zu einer professionellen Betreuung gehört soziale und medizinische Betreuung durch qualifiziertes Personal.

  6. Rückkehrberatung und -hilfe für alle, die die Schweiz verlassen müssen

    Personen, deren Asylgesuch nach einem fairen Verfahren rechtskräftig abgelehnt wurde, müssen die Schweiz verlassen. Die freiwillige Rückkehr hat höchste Priorität. Abgewiesene Asylsuchende erhalten die nötige Unterstützung, damit sie in Sicherheit und Würde zurückkehren können. Rückkehrberatung und -hilfe sind ganzheitlich und individuell ausgestaltet.

  7. Ersatzmassnahmen anstelle der Schaffung von weiteren Haftplätzen

    Haft ist teuer und in vielen Fällen unverhältnismässig, sie verhärtet die Fronten und trägt zur Eskalation während der Ausschaffung bei. Sie soll deshalb in allen Fällen die ultima ratio sein. Haft wird so weit wie möglich durch einen intensiven Rückkehrdialog und andere Kontrollmassnahmen ersetzt. Sie findet in wohngemeinschaftlichen Institutionen statt und darf nicht in Gefängnissen vollzogen werden.

  8. Unmenschliche Ausschaffungen sollen verhindert werden

    Level IV-Ausschaffungen gehören zur absoluten Ausnahme. Level I und II-Ausschaffungen sind die Regel. Durch intensiven Dialog und die Zusammenarbeit mit den unabhängigen BeobachterInnen und den Ausschaffungszentren wird der Ausschaffungsprozess auf allen Stufen maximal deeskaliert, um die gefährlichen und unmenschlichen Level IV-Ausschaffungen zu verhindern.

  9. Qualitätssicherung auf allen Ebenen

    Das Verfahren ist transparent und die Zivilgesellschaft ist während sämtlicher Verfahrensschritte präsent. Die involvierten Akteure sind auf allen Ebenen um Qualität und Effizienz bemüht. Entsprechende Mechanismen zur Kontrolle der Qualität und der Effizienz werden implementiert. Ein Austausch der involvierten Akteure zum Ziel der Qualitätssicherung wird eingeführt.