Russland: ‘Pussy Riot’ zwei Jahre Haft – Amnesty fordert dringend Freilassung der drei queer-feministischen Punksängerinnen

update 10.10.2012, «zum Teil schuldig» – zwei Jahre Haft:
Urteile gegen Pussy Riot revidiert, eine Frau frei – doch der Gerechtigkeit nicht Genüge getan

update 17.08.2012, «schuldig» – zwei Jahre Haft: Polizei mit Grossaufgebot vor Gericht (TA)
und NZZ-Bericht, NZZ-Kommentar: Putins sowjetischer Kurs – Schauprozess in Moskau

Amnesty Schweiz: ein schwerer Schlag für das Recht auf freie Meinungsäusserung
Amnesty International: Russian court finds Pussy Riot guilty

update 12.08.2012: Aktion vor der vor russisch-orthodoxer Kirche in Zürich – Offener Brief.

update Chamowniki-Bezirksgericht in Moskau, Prozessberichte:

09.08.2012, WoZ: Russlands Ruhe vor dem Sturm
08.08.2012, Tag 8, Agenturen: Richterin Syrowa setzt Urteilsverkündung auf 17. August, 15 Uhr an.
07.08.2012, Tag 7, TA: Strafantrag: drei Jahre Lagerhaft und NZZ
01.08.2012, Tag 3, TA: Pussy Riot-Sängerin bricht im Gericht zusammen
31.07.2012, Tag 2, NZZ: Kein Essen und kein Schlaf für Angeklagte?
30.07.2012, Tag 1, NZZ: Angeklagte verteidigen Protest gegen Putin
30.07.2012, Tag 1, NZZ: Politische Teufelsaustreibung in Moskau
29.07.2012, Vortag, NZZ: Sukkurs für Russische Punkband
24.07.2012,NZZ: Strafprozess gegen polarisierende Punkband Pussy beginnt am 30. Juli.

Bitte Brief unterschreiben und einsenden Musterbrief unten / Urgent Action Amnesty Schweiz
(Anleitung, UA: UA 122/12-3, EUR 46/030/2012)
Urgent Action Amnesty Deutschland

Online-Action von Amnesty USA: Free ‘Pussy Riot’ – Freedom of Expression is Not Hooliganism (Englisch)

Pussy Riot werden im Käfig „vorgeführt“ – Die drei queer-feministischen Punksängerinnen sollen noch bis Januar 2013 in U-Haft bleiben.
Pussy Riot versuchen künstlerische Freiheit für Aufsehen erregende, politiscche Menschenrechts-Aktionen zu nutzen. Diese Freiheit ist aber in Russland sehr klein, wie die Verhaftung nach einer Video zur „Austreibung“ des Präsidenten Putins zeigt. Seit März sind drei Mitglieder in Haft. Am 20. Juli wurde die U-Haft bis zum Januar 2012 verlängert – für eine schwere kriminelle Handlung: Ein Video, dass kein Blatt vor den Mund nimmt.

Amnesty International fordert erneut die dringende Freilassung:
“The Russian authorities should release the members of Pussy Riot immediately and unconditionally” – John Dalhuisen, Director of Amnesty International’s Europe and Central Asia Programme, Fri, 17/08/2012

Amnesty, 17.08.2012: Russian court finds Pussy Riot guilty
Amnesty Medienmitteilung, 20.07.2012: Amnesty fordert Freilassung der „Pussy Riot“-Mitglieder (PRE01/357/2012)
Englisch: President Putin’s visit to UK – on Syria and ‘Pussy Riot’ (Engl.)
25.07.2012: Sting condemns Russia’s treatment of Pussy Riot (Engl.)
30.07.2012: Release Pussy Riot from politically motivated charges (PDF, Engl.)
02.08.2012: Russia urged to release ‘Pussy Riot’ group as court prolongs detention (Engl.)

Urgent Action (abgelaufen) (April 2012)

Medien:
24.07.2012, Welt: Gericht lehnt Putin als Zeugen ab (+ Videobericht mit Ehemann und Kind).
21.07.2012, Stern: Pussy-Riot-Musikerinnen noch bis 2013 in U-Haft.
21.07.2012, DieStandard: Pussy Riot bis 2013 in U-Haft.
20.07.2012, DieStandard: Pussy-Riot-Anhörung hat begonnen.
12.07.2012, DieStandard: Putin-Gegnerinnen von Pussy Riot offiziell angeklagt.

Zu Russland:
Mindestens sechs Verhaftungen beim CSD-Pride in St. Petersburg (Juli 2012)
Beschämendes Niederknüpplen der Moskau-Pride muss ein Ende haben (Mai 2012)
Nach ersten Bussen ist es Zeit, die homophoben Gesetze zu überdenken (Mai 2012)
Punkband „Pussy Riot“ – queer-feministische Punksängerinnen inhaftiert (April 2012)
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Bilder und
Aktionsinformationen

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Pussy Riots werden im Käfig „vorgeführt“ – Die drei queer-feministische Punksängerinnen sollen noch bis zum 12. Januar in U-Haft bleiben.


Pussy Riot by Igor Mukhin.

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Russland: Mutmassliche feministische Punksängerinnen inhaftiert – Prozessbeginn, UA 122/2012/3, 23. Juli 2012

Das Gerichtsverfahren gegen drei Mitglieder der feministischen Punkband Pussy Riot beginnt am 30. Juli im Bezirksgericht Khamovnicheskii in Moskau. Bei der vorbereitenden Anhörung am 20. Juli wurde die Untersuchungshaft der Frauen um weitere sechs Monate verlängert. Ihre Rechtsbeistände legten gegen die Entscheidung Rechtsmittel ein.

Jedes bislang eingelegte Rechtsmittel der Rechtsbeistände gegen die Haft von Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Ekaterina Samutsevich wurde abgelehnt. Das Moskauer Stadtgericht übernahm in der Anhörung des jüngsten Rechtsmittels am 9. Juli die Argumente der Anklage, dass das von den Frauen begangene Verbrechen schwerwiegend sei und die Sängerinnen im Falle einer Freilassung fliehen könnten. Dabei liess es ausser Acht, dass sich über 50 bekannte Kulturschaffende und Geschäftsleute in Russland bereit erklärt hatten, für die drei Bandmitglieder zu bürgen.

Die Staatsanwaltschaft erhielt die Ermittlungsakten am 11. Juli, unterzeichnete die Anklageschrift und übergab den Fall noch am selben Tag dem Gericht. Das Bezirksgericht von Taganskii hatte am 4. Juli der Forderung der Ermittler stattgegeben, den drei Frauen und ihrer Verteidigung für die Akteneinsicht und die Prozessvorbereitung lediglich bis zum 9. Juli Zeit zu geben. Das Gericht überging dabei den Einspruch der Rechtsbeistände, dass dieser Zeitraum für die gründliche Vorbereitung einer Verteidigungsstrategie nicht ausreiche. Die Rechtsbeistände und Beschuldigten durften nur drei bis vier Stunden am Tag die etwa 3000 Seiten starken Akten und das 10 Stunden umfassende Videomaterial des Falls einsehen, denn nur so lange wurden ihnen die Materialien im Untersuchungsgefängnis zur Verfügung gestellt. Die Beschuldigten mussten sich allein vorbereiten, ohne dabei auf einen funktionierenden Fotokopierer zurückgreifen zu können.

Im zweiten Teil der vorbereitenden Anhörung am 23. Juli gewährte der Richter der Verteidigung für die Einsicht der Fallakten und zur Vorbereitung ihrer Strategie zwar eine Fristverlängerung bis zum 27. Juli, wies aber deren Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen und die Berufung weiterer Zeugen wie Präsident Putin und das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche in den Zeugenstand zurück. Das Gericht vertagte die Entscheidung über den Antrag der Verteidigung, zusätzliche psychologische und linguistische Sachkundige zu konsultieren, um festzustellen, ob die Aktionen der drei Frauen antireligiösen Hass schürten. Während zwei von den ErmittlerInnen in Auftrag gegebene Gutachten keine Beweise für ein solches Schüren von Hass finden konnten, untermauerte ein drittes Gutachten die Anklage in diesem Punkt.

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Hintergrundsinformationen

Seit ihrer Gründung im Jahr 2011 tritt die feministische Punkband „Pussy Riot“ an öffentlichen Orten wie der Moskauer U-Bahn, dem Roten Platz in Moskau und auf Busdächern auf. In Interviews haben die Gruppenmitglieder den Medien gegenüber erklärt, dass sich ihr Protest unter anderem gegen die Einschränkung der Rechte auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit in Russland richtet sowie gegen unfaire politische Prozesse und die Konstruktion von Strafanklagen gegen Oppositionelle.

Der Protestsong Virgin Mary, redeem us of Putin („Jungfrau Maria, erlöse uns von Putin“) wurde am 21. Februar 2012 von mehreren Mitgliedern der Gruppe „Pussy Riot“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale aufgeführt. Während des Auftritts trugen die Sängerinnen Sturmhauben. Das Protestlied ruft die Jungfrau Maria dazu auf, eine Feministin zu werden und Vladimir Putin zu verbannen. Es kritisiert ausserdem die Unterstützung Putins durch einige Angehörige der russisch-orthodoxen Kirche. Der Auftritt war Teil der breiten Proteste gegen Putin und unfaire Wahlen in Russland.

Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Ekaterina Samutsevich, alle zwischen 20 und 30 Jahre alt, wurden im März festgenommen. Wegen ihres angeblichen Protestauftritts in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale am 21. Februar wurden sie wegen „Rowdytums“ nach Paragraph 213 Teil 2 des russischen Strafgesetzbuchs (von einer organisierten Gruppe geplantes Rowdytum aufgrund antireligiösen Hasses oder Feindseligkeit gegenüber einer sozialen Gruppe) angeklagt. Sollten Sie schuldig befunden werden, droht ihnen eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren. Der Auftritt in der Christ-Erlöser-Kathedrale zog eine weitreichende Diskussion in Blogs, sozialen Netzwerken und den Medien nach sich und führte sowohl zu unterstützenden als auch zu kritischen Reaktionen. Es gab zudem diverse Äusserungen von VertreterInnen der russischen Regierung und der russisch-orthodoxen Kirche zu dem Auftritt. Anfangs forderte ein Vertreter der russich-orthodoxen Kirche Nachsicht gegenüber Protestierenden. Doch später drängten die KirchenvertreterInnen darauf, die Frauen hart zu bestrafen und sie wegen des Schürens von antireligiösem Hass strafrechtlich zu verfolgen.

Kurze Zeit nach dem Auftritt bezeichnete der Pressesprecher des gewählten Präsidenten Vladimir Putin den Protest als abscheulich und kündigte an, man würde „mit allen notwendigen Konsequenzen“ darauf reagieren. Allerdings sprachen sich mehrere hochrangige BehördenvertreterInnen, darunter der Justizminister, der Sprecher des Oberhauses des Russischen Parlaments und der Vorsitzende des Präsidialrats für Menschenrechte, gegen die Inhaftierung der drei Frauen aus.

Am 28. Mai wurden zwei Unterstützer der inhaftierten Frauen, Vasilii Bogatov und Arkadii Oleinikov, zu kurzen Verwaltungshaftstrafen verurteilt, weil sie vor dem Moskauer Stadtgericht gegen die Strafverfolgung der jungen Frauen protestiert hatten. Am 8. Juni verurteilte ein Gericht in Novosibirsk den Künstler Artem Loskutov zu einer Geldstrafe, weil er an Plakatwänden in Novosibirsk Plakate aufgehängt hatte, die zur Solidarität mit den drei jungen Frauen aufriefen. Auf den Plakaten war, in Anlehnung an die berühmte Ikone der Heiligen Mutter Maria mit dem Jesuskind, mittig eine in einen roten Umhang gehüllte Frau mit lilafarbener Sturmhaube, erhobenen Händen und einem Kind zu sehen. Der Text des Plakats im Stil orthodoxer religiöser Darstellungen rief zur Freilassung der Sängerinnen auf.

Ein offener Brief, in dem über 200 bekannte Kulturschaffende Russlands die Freilassung der Pussy-Riot-Sängerinnen forderten, wurde am 27. Juni in den russischen Medien veröffentlicht und an den Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation und an das Moskauer Stadtgericht weitergegeben. Der Oberste Gerichtshof sendete den Brief ohne Umschweife zurück und begründete dies damit, dass nur zwei auf der beiliegenden Unterschriftenliste angegebenen Personen den Aufruf tatsächlich unterschrieben hätten. Der Brief wurde anschliessend auf der Website des russischen Radiosenders Echo Moskvy zur Unterschrift bereitgestellt. Bis Mitte Juli hatten über 40.000 Menschen unterzeichnet. Eine Gruppe orthodoxer ChristInnen veröffentlichte am 20. Juni einen offenen Brief an Patriarch Kirill, das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, und rief zur Nachsicht gegenüber den drei inhaftierten Frauen auf. Über 100 Gläubige hatten diesen Brief unterschrieben. Ein offizieller Vertreter reagierte darauf mit den Worten, der Patriarch würde auf diesen Brief nicht antworten, da er nicht an ihn persönlich geschickt, sondern lediglich in den Medien veröffentlicht wurde.

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Empfohlene Aktionen

Schreibt bitte e-mails, Faxe oder Luftpostbriefe mit folgenden Forderungen:

  • Ich möchte meine Sorge darüber ausdrücken, dass es sich bei Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Ekaterina Samutsevich möglicherweise um gewaltlose politische Gefangene handelt, die allein aufgrund der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäusserung inhaftiert und angeklagt wurden.
  • Bitte lassen Sie die Frauen umgehend und bedingungslos frei.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass das Recht der drei Frauen auf ein faires Gerichtsverfahren geachtet wird.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Expressing your concern that Maria Alekhina, Ekaterina Samutsevich and Nadezhda Tolokonnikova may be prisoners of conscience, detained and charged solely for exercising their right to freedom of expression.
  • Calling on the authorities to release Maria Alekhina, Ekaterina Samutsevich and Nadezhda Tolokonnikova immediately and unconditionally.
  • Calling on them to observe the three women’s right to a fair trial.

Bitte schreibt sofort! – jedoch nicht später als 3. Sept. 2012.

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Musterbrief

Dear Prosecutor,

May I draw your attention to the case of

Nadezhda Tolokonnikova and Maria Alekhina, who were arrested on 4 March, and Ekaterina Samutsevich, arrested on 15 March

These three young women are being detained by the Russian authorities for allegedly performing a protest song in a cathedral as part of a feminist punk group “Pussy Riot”. On 19 April, a Moscow court extended the detention of the women until 12 January 2013.

With many other people all around the world I take the liberty to write to you this letter

  • Expressing my concern that Maria Alekhina, Ekaterina Samutsevich and Nadezhda Tolokonnikova may be prisoners of conscience, detained and charged solely for exercising their right to freedom of expression.
  • Calling on the authorities to release Maria Alekhina, Ekaterina Samutsevich and Nadezhda Tolokonnikova immediately and unconditionally.
  • Calling on them to observe the three women’s right to a fair trial.

I thank you in advance for your intervention in the case of these three young women and remain,

Respectfully yours,

Adressen:

Staatsanwalt des Zentralbezirks Moskau,
Denis Gennadievich Popov,
Prosecutor’s Office of the Central Administrative District,
ul. L.Tolstogo, 8, str.1,
Moscow 119021,
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (007) 499 245 77 56
E-Mail: prokcao@mosproc.ru
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)

Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation,
Yuri Yakovlevich Chaika,
Prosecutor General’s Office of the Russian Federation,
Bolshaia Dmitrovka, 15 A,
125993 Moscow,
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 495 692 1725
E-Mail: prgenproc@gov.ru
korrekte Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)

Kopien an:

Bezirksgericht Khamovnicheskii in Moskau,
7-oi Rostovskii Pereulok, 21,
Moscow 119121,
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (007) 499 248 18 09 (Wenn jemand abhebt, bitte deutlich “FAX” sagen)
E-Mail: hamovnichesky.msk@sudrf.ru

Ambassade de la Fédération de Russie,
Brunnadernrain 37,
3006 Berne.
Fax: 031 352 55 95