Die Journalistin Elena Klimova ist wegen „Propagierens von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen“ schuldig gesprochen worden. Sie lebt in der Stadt Nischni Tagil und ist Gründerin des Onlineprojekts „Children 404“, das LGBTI-Jugendliche unterstützt. Sie muss eine Geldstrafe zahlen, und ihr Onlineprojekt könnte eingestellt werden.

LGBTI-Ktivisten in frieden lassen

Fast ein Jahr nach dem vergeblichen Versuch von Vitaliy Milonov, Politiker aus St. Petersburg und LGBTI-Gegner, Elena Klimova wegen „Propagierens von Homosexualität“ vor Gericht zu bringen und ihr Onlineprojekt „Children 404“ zu schließen, hat die Moskauer Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor eine neue Untersuchung gegen sie eingeleitet. Im November 2014 reichte die Behörde eine Klage vor Gericht ein, in der sie angab, 130 Beschwerdebriefe über „Children 404“ erhalten zu haben. Außerdem behauptete Roskomnadzor, die Informationen, die auf der Internetseite veröffentlicht werden, könnten „bei Kindern den Eindruck vermitteln, dass es ein Zeichen von Mut, Stärke, Selbstbewusstsein und Selbstrespekt sei, wenn man homosexuell ist“ und dass diese Informationen eine „positive Einstellung zu nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen“ bewirken können. Um diese Behauptungen zu belegen, legte Roskomnadzor eine „Zeugenaussage“ des Leiters von Mediagvardia vor, einem Projekt der regierungsnahen Jugendbewegung „Molodaia Gvardia“ (Junge Garde). Mitglieder von Mediagvardia durchsuchen das Internet nach Webseiten und Gruppen in sozialen Netzwerken, die sie als rechtswidrig erachten und melden diese der Roskomnadzor und der Staatsanwaltschaft, damit sie gesperrt werden.

Die erste Anhörung im Verfahren gegen Elena Klimova und „Children 404“ fand am 23. Januar vor dem Bezirksgericht Dzerzhinsky in Nischni Tagil statt. Der Rechtsbeistand von Elena Klimova konnte aus Krankheitsgründen bei der Anhörung nicht anwesend sein, dennoch lehnte die Richterin eine Verlegung des Termins ab und verletzte somit Elena Klimovas Recht auf ein faires Verfahren. Die Richterin hatte zuvor bereits einen Antrag von Elena Klimova auf das Einholen einer zweiten Expertenmeinung zu den Inhalten der Seiten von „Children 404“ abgelehnt. Sie begründete dies damit, dass ihr bereits die Meinungen von Expert_innen vorlägen, die sich „für“ oder „gegen“ diese Inhalte ausgesprochen hatten und dass eine weitere Überprüfung keinerlei Unterschied für sie machen würde. Elena Klimova wurde wegen „Propagierens nicht-traditioneller Beziehungen unter Minderjährigen“ schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Rubel (ca. 640 Euro) verurteilt. Sie wird Rechtsmittel gegen ihre Verurteilung einlegen.

Mediagvardia setzt sich dafür ein, dass „Children 404“ geschlossen wird. Tausende LGBTI-Jugendliche finden auf der Onlineplattform Unterstützung, darunter auch solche, die selbstmordgefährdet sind oder sich selbst verletzen.

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E-MAILS, FAXE, TWITTERNACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Es besorgt mich sehr, dass Elena Klimova wegen „Propagierens nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“ schuldig befunden wurde und dass man ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt hat.
  • Ich bitte Sie eindringlich, Elena Klimova nicht weiter in Verbindung mit ihrem Onlineprojekt „Children 404“ strafrechtlich zu verfolgen und die Drangsalierungen gegen das Projekt einzustellen.
  • Erheben Sie bitte keine Anklagen auf Grundlage des „Propagandagesetzes“ mehr und stellen Sie sicher, dass jeder Mensch in Russland seine Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrnehmen kann.

APPELLE AN

STAATSANWALT DER REGION SVERDLOVSK
Sergei Alekseevich Ohlopkov
620219 Yekaterinburg GSP-1036
Sverdlovsk Region, ul. Moskovskaia, 21
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (00 7) 343 377 02 41
E-Mail: sverdloblprokuratura@mail.ru

LEITER VON ROSKOMNADZOR
Alexander Aleksandrovich Zharov
109074 Moscow
Kitaigorodskii pr., d.7, str.2
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Chief of Roskomnadzor / Sehr geehrter Herr Aleksandrovich Zharov)
Fax: (00 7) 495 987 68 01
E-Mail: rsoc_in@rkn.gov.ru
Twitter: @roscomnadzor

KOPIEN AN
OMBUDSPERSON FÜR DIE REGION SVERDLOVSK
Tatiana Georgievna Merzliakova
620031 Ekaterinburg,
Sverdlovsk Region
pl. Oktiabrskaya, 1
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 845 227 90 75 oder
(00 7) 343 217 88 72
E-Mail: ombudsman@midural.ru oder pravachel66@yandex.ru

Ambassade de la Fédération de Russie,
Brunnadernrain 37,
3006 Berne.
Fax: 031 352 55 95
E-mail: rusbotschaft@bluewin.ch

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. März 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Elena Klimova rief ihr Onlineprojekt „Children 404“ im März 2013 ins Leben, nachdem sie eine Reihe von Artikeln über LGBTI-Jugendliche veröffentlicht hatte. Ziel von „Children 404“ ist es, schutzlose junge Menschen zu unterstützen, die sich Diskriminierung und anderen Problemen ausgesetzt sehen und ihnen einen Raum zu bieten, in dem sie sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen können und die Möglichkeit haben, über ihre Probleme zu sprechen. Sie hat zudem zwei Online-Gruppen gegründet, eine auf Facebook und die andere in dem bekannten russischen sozialen Netzwerk VKontakte. In diesen Gruppen können die Jugendlichen ihre persönlichen Probleme und ihre Erfahrungen mit Belästigungen und Missverständnissen austauschen und erhalten Beratung und Unterstützung von anderen Nutzer_innen sowie von professionellen Berater_innen. Der Name des Projekts bezieht sich auf die Meldung „404 Page not found“, die erscheint, wenn man versucht, eine nicht existierende Webseite aufzurufen.

Elena Klimova wurde gemäß einem Gesetz angeklagt, das im Juni 2013 verabschiedet worden war. Laut diesem Gesetz stellt das „Propagieren nicht-traditioneller sexueller Beziehungen unter Minderjährigen“ eine Ordnungswidrigkeit dar und kann bei Privatpersonen mit Geldstrafen von bis zu 5.000 Rubel (ca. 63 Euro) und bei Organisationen sogar mit bis zu einer Million Rubel (ca. 12.700 Euro) bestraft werden. Ausländische Staatsbürger_innen, die schuldig befunden werden „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ propagiert zu haben, können eine Verwaltungshaftstrafe von bis zu 15 Tagen erhalten und aus dem Land ausgewiesen werden.

Im Dezember 2013 wurden zwei LGBTI-Aktivisten nach dem „Propagandagesetz“ zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem sie in der nordrussischen Stadt Archangelsk eine Protestaktion organisiert hatten. Im Februar 2014 wurde Aleksandr Suturin, ein Journalist aus der Stadt Chabarowsk, im äußersten Osten Russlands zu einer Geldstrafe von 50.000 Rubel verurteilt. Er hatte ein Interview mit einem Lehrer veröffentlicht, der wegen seiner Homosexualität seinen Arbeitsplatz verloren hatte. Das Gericht wertete die Bemerkung des Lehrers „Meine Existenz beweist eindeutig, dass Homosexualität normal ist“, als „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“.