Ernüchternde Analyse der Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts
An der LGBTI-Forschungsnacht am 24. Mai 2016 präsentierten zehn Leute aus Hochschule und Fachhochschule ihre Seminar- Bachelor-, Master- und Postgradearbeiten zum einen queeren Thema je in einem zehnminütigen Kurzreferat vor rund 80 Zuhörer/innen. Alle Beiträge waren interessant und meist hätte man gerne noch länger zugehört.
Anschliessend gaben Fachjury und Publikum Punkte, schon fast wie beim ESC.
Der LGBTI-Forschungspreis 2016 geht – da sind sich Jury und Publikum einig – an Alan Sangines für seine juristische Bachelorarbeit an der ZHAW. Er untersuchte 200 Rekursentscheide des Bundesverwaltungsgerichts etwa zur Zumutbarkeit des Versteckens der Homosexualität oder zur Glaubwürdigkeit der Gesuchsteller. Viele Entscheide stehen immer noch im Widerspruch zur Europäischen Empfehlungen, zur Haltung der UNO. Zum Abschluss präsentierte Sangines einen Leitfaden zum Umgang mit Asylgesuchen aufgrund der sexuellen Orientierung. Dass Alan diesem Preis und erst recht mit diesem Thema gewann, freut uns sehr – gratuliere! (Vergleiche Display Magazin vom 28.3.2016 – Schwule unerwünscht)
Auf dem zweiten Platz, ebenfalls unisono, landete die Masterarbeit des Literaturwissenschaftlers Manuel Bamert ‚Homo Stiller – Männliche Sexualitäten in Max Frischs erstem Romanerfolg‘. Es erstaunt, dass bei 300 Monographien und noch viel mehr Fachartikeln zu ‚Stiller‘ die Sexualität durch die Forschung immer als heteronormativ angenommen wurde, obwohl, wie bei allen anderen Identitätsfragen im Roman, der Autor bewusst offen bleibt, Leser/innen mit Andeutungen und Hinweisen im Unklaren lässt, lassen will, ja lassen muss.
Der dritte Preis der Jury geht an Tobias Kuhnert, BSc Soziale Arbeit Bern, für die Untersuchung der Stigmatisierung von Kindern aus Regenbogenfamilien.
Das Publikum honorierte hier Tamara Bosshardt für die Diskussion der ‚Psychologisierung‘ der Homosexualität in den 1930-er Jahren und das Engagement von Anna Vock (1885-1962) als Herausgeberin des ‚Freundschaftsbanners‘.
Persönlich möchte ich noch den sehr analytischen, vielschichtigen mit Witz präsentierten Beitrag von Sylvie Berrut (Master in Public Health, Uni Genf) über ‚Lesben beim/m Frauenarzt/in‘ erwähnen. Sylvie gibt sogar Tipps zur Umgestaltung des Wartezimmers! Mehr zu ihrer Gesundheitsforschung in 360 (französisch).