«ECLIPSE» IST EINE UNABHÄNGIGE ORGANISATION, DIE SICH UM LGBTI*-FLÜCHTLINGE IN DER GRIECHISCHEN STADT THESSALONIKI KÜMMERT UND SIE SOWOHL MATERIELL ALS AUCH SOZIAL UNTERSTÜTZT. QUEERAMNESTY HAT MIT DER «ECLIPSE»-KOORDINATORIN ALEX ARONSKY GESPROCHEN.

Im Mai 2016 reiste die St. Moritzerin Alex Aronsky nach Griechenland ins Flüchtlingslager Idomeni, mit dem Ziel, sich dort für einen Monat als freiwillige Helferin zu engagieren. Aus einem Monat sind mittlerweile anderthalb Jahre geworden. Denn in Thessaloniki traf sie auf eine spanische LGBTI*-Aktivistin, die zwei Flüchtlinge beherbergte, eine pakistanische Transfrau und einen jungen schwulen Syrer. Das Bewusstwerden über die schwierige Situation dieser beiden Flüchtlinge liess sie Ausschau nach weiteren queeren Menschen in Not halten.

Aus diesen Anfängen entwickelte sich mittlerweile eine Gruppe von zirka dreissig LGBTI*-Flüchtlingen, die sich einmal pro Woche treffen, um sich gegenseitig zu unterstützen und Anschluss an die lokale LGBTI*-Community zu finden. Rund um diesen wöchentlichen Treff hat sich die Organisation «Eclipse» gebildet, deren Mitglieder sich tagtäglich für die Belange der Flüchtlinge einsetzen und zahlreiche Hilfeleistungen anbieten.

Nebst freiwilligen Helfer_innen aus der LGBTI*-Community arbeiten derzeit zwei Koordinatorinnen nahezu Vollzeit für das Projekt. Diese erhalten von «Eclipse» nach Bedarf eine minimale finanzielle Unterstützung, damit sie ihre eigenen Lebensunterhalt einigermassen bestreiten können.

Die Arbeit wird dadurch erschwert, dass die Gruppe sehr auf Anonymität bedacht sein muss. Vor allem weil viele Betroffene grosse Angst haben, vor anderen Flüchtlingen geoutet zu werden. Und auch wenn Griechenland mittlerweile eine grosse LGBTI*-Community hat, ist die gesellschaftliche Liberalisierung diesbezüglich noch in den Anfängen. Übergriffe auf LGBTI*-Menschen sind an der Tagesordnung, ja sogar polizeiliche Gewalt bis hin zur Vergewaltigung, insbesondere von transidenten Menschen, sind protokolliert. Anzeigen bei Übergriffen werden von der Polizei oft kaum verfolgt.

Einer der Schwerpunkte von «Eclipse» ist die Hilfe bei der Suche nach Unterkünften. Noch immer leben zahlreiche Flüchtlinge in Auffanglagern oder gar auf der Strasse. Wichtig dabei ist, dass LGBTI*-Flüchtlinge überhaupt die Gelegenheit haben, sich als solche zu outen und «Eclipse» sie dann ans UNHCR und NGOs weiterleiten kann, damit ihrer besonderen Verletzlichkeit bei der Platzierung in Wohnungen Rechnung getragen wird. Die Organisation selbst kann im Moment fünf Leuten eine solche Wohngelegenheit bieten; Ziel ist es ganz klar, die Zahl solcher Plätze zu erhöhen.

Mit 150 Euro staatlicher Unterstützung, die Flüchtlinge in Griechenland pro Monat erhalten, ist der Lebensunterhalt kaum zu bewältigen, da die Lebenskosten in griechischen Städten sehr hoch sind. «Eclipse» ergänzt Grundbedürfnisse durch Abgabe von frischem Gemüse, weiteren Lebensmitteln sowie einigen anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Ganz besonders auf solche Hilfe angewiesen sind Flüchtlinge, die einen negativen Asylentscheid erhalten haben, sich aber immer noch im Land aufhalten.

Nebst Unterkunft und materieller Hilfe leistet die Gruppe unzählige weitere Hilfestellungen, vor allem bei der Vermittlung an andere Stellen, etwa für medizinische und rechtliche Hilfe oder psychologische Unterstützung und Ausbildung. Bei den wöchentlichen Treffs sowie im direkten Kontakt mit LGBTI*-Helfer_innen müssen sich die Betroffenen auch klar werden, was ihre persönliche Situation ist, denn zuvor auf der Flucht und in den Lagern ging es nur ums nackte Überleben. Oft wissen sie nicht einmal, dass sie sich nun in einem Land befinden, in dem queere Lebensformen nicht vom Staat her verfolgt werden. Ebenso haben sie zum ersten Mal Gelegenheit, mit anderen Menschen über ihre eigene sexuelle Orientierung und ihre Geschlechtsidentität zu sprechen.

DER TRAUM ENDET IN GRIECHENLAND

Viele müssen die bittere Pille schlucken, dass ihr Traum, ein mitteleuropäisches Land zu erreichen, wahrscheinlich hier in Griechenland endet. Die Balkanroute ist zu und der Weg übers Mittelmeer kaum mehr zu bewältigen. Alex Aronsky spricht deshalb von Griechenland als «Wartesaal Europas».

Trotzdem sind einige nicht von ihrem Vorhaben abzuhalten und versuchen unter grösster Lebensgefahr, ihr Zielland zu erreichen. Gelingt ihnen dieses Vorhaben, so vermittelt «Eclipse» sie an Organisationen im entsprechenden Land. Denen, die zurückbleiben, muss gleichzeitig bewusst gemacht werden, dass es auf lange Sicht kaum eine Weiterreise nach Mitteleuropa gibt und sie sich deshalb in Griechenland integrieren müssen. Primär heisst das, die Sprache zu lernen – was in vielen Fällen ein grosses Problem ist, denn in den regulär angebotenen Kursen besteht wiederum Gefahr, auf Grund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität angefeindet zu werden. Deshalb bietet «Eclipse» auch selbst Sprachkurse in kleinen Gruppen an.

Es ist zu befürchten, dass die LGBTI*-Flüchtlinge, die in Griechenland festsitzen, auf lange Sicht mit massiven Problemen konfrontiert sein werden. Auch im besten Fall, nämlich wenn Griechenland ihren Flüchtlingsstatus anerkennt, verlieren sie innerhalb von einigen Monaten das Recht, in einer Flüchtlingsunterkunft zu wohnen. Selber eine Wohngelegenheit zu finden und Einkommen zu generieren, ist in Griechenland schon für einheimische junge Menschen ein kaum lösbares Problem; für Flüchtlinge ist es schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit. Das heisst, sie werden weiterhin auf Hilfe angewiesen sein. Viel schlimmer wird die Situation noch, wenn keine Anerkennung erfolgt und sie zwangsläufig illegalisiert im Land bleiben müssen, da sich ja kaum Lösungen anbieten, einen neuen Aufenthaltsort zu finden.

«Eclipse» kann diesen Menschen nur helfen, wenn sie ihrerseits unterstützt wird – und zwar in erster Linie materiell und finanziell. Queeramnesty Schweiz hat die Organisation deshalb im Dezember 2017 mit einem Direktbeitrag unterstützt und wünscht der Gruppe gutes Gelingen für ihre immensen Herausforderungen.

WEITERGEHENDE INFORMATIONEN ZU ECLIPSE:

https://www.facebook.com/eclipsethessaloniki (eine eigene Homepage ist erst im Aufbau)

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