Der Amnesty International Report 2014 / 2015

Alles, was Du zur Situation der Menschenrechte wissen musst. Die wichtigsten Facts und Figures aus 160 Ländern.

Jahresbericht 2014/15

 

Im Anschluss finden Sie einen Auszug des Berichts zum Themengebiet:  «Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität». 

Den gesamten Bericht finden Sie hier: amnesty.org/en/annual-report-201415/

 

Deutschland

Das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen aus dem Jahr 1980 blieb weiterhin in Kraft. Demnach müssen Transgender ein formales Verfahren durchlaufen,um ihr Geschlecht bzw. ihren Namen zu ändern. Hierzu gehören eine gerichtlich angeordnete psychiatrische Diagnose sowie ein Expertengutachten. Diese Vorschriften verstoßen gegen die Rechte von Transgendern auf Achtung des Privatlebens und das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit.

 

Iran

Recht auf Privatsphäre: Alle sexuellen Handlungen zwischen unverheirateten Personen waren nach wie vor strafbar. Die Behörden verfolgten 2014 weiterhin Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen gleichen Geschlechts waren nach dem überarbeiteten islamischen Strafgesetzbuch nach wie vor verboten. Die dafür vorgesehenen Strafen reichten von 100 Peitschenhieben bis zur Todesstrafe.

Die iranischen Behörden blockierten und verboten die Veröffentlichung jeglichen Materials, das sich mit Homosexualität oder mit sexuellen Handlungen außerhalb der heterosexuellen Ehe befasste. Dabei fand das Gesetz zur Internetkriminalität Anwendung, das »Verbrechen gegen die Keuschheit« und »sexuelle Perversion« unter Strafe stellt.

Personen, die nicht den Normen von Männlichkeit oder Weiblichkeit entsprachen, waren von Diskriminierung und Gewalt betroffen. Transgendern wurde die offizielle Anerkennung ihres Geschlechts verwehrt. Ihre Rechte auf Bildung und Arbeit konnten sie nur wahrnehmen, wenn sie sich Operationen zur Geschlechtsumwandlung unterzogen. Im Februar schloss der offizielle iranische Fußballverband sieben Fußballerinnen von einem Turnier aus mit der Begründung, ihr Geschlecht sei »nicht eindeutig«.

 

Nigeria

Im Januar 2014 unterzeichnete Präsident Jonathan das Gesetz zum Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen von 2013. Das Gesetz kriminalisiert Eheschließungen und nichteheliche Lebensgemeinschaften von gleichgeschlechtlichen Partnern, den feierlichen Vollzug von Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare in Gotteshäusern, den Austausch von Zärtlichkeiten zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern in der Öffentlichkeit und die Zulassung und Förderung von Clubs und Vereinen für Homosexuelle in Nigeria. Bei Zuwiderhandlung sieht das Gesetz Haftstrafen zwischen zehn und 14 Jahren vor.

Bereits wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes wurden Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI) sowie Aktivisten schikaniert, erpresst und mit dem Tode bedroht. In Ibadan im Bundesstaat Oyo nahm die Polizei fünf Männer wegen ihrer vermeintlichen sexuellen Orientierung fest. Sie wurden später gegen Kaution freigelassen. In Awka im Bundesstaat Anambra wurden Berichten zufolge sechs Personen im Rahmen des neuen Gesetzes von der Polizei festgenommen und inhaftiert. Der stellvertretende Leiter der Polizei in Bauchi gab an, dass die Polizei im Rahmen ihrer »Profilerstellung von Kriminellen« eine Liste vermeintlicher LGBTI-Personen bei sich führe, die »unter Beobachtung« stünden.

 

Russland

Auch Einzelpersonen und Gruppen von Menschen, die abweichende Meinungen vertraten, konnten ihr Recht auf freie Meinungsäußerung 2014 nicht ausüben. Die Behörden nahmen Angehörige sexueller Minderheiten ins Visier und beriefen sich dabei u.a. auf das 2013 in Kraft getretene Gesetz, das »Propaganda von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen« unter Strafe stellt. Aktivisten, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LGBTI) einsetzten, wurden konsequent daran gehindert, friedliche Versammlungen abzuhalten, selbst an Orten, die eigens für öffentliche Zusammenkünfte ohne vorherige Anmeldung vorgesehen waren, wie z.B. kaum besuchte Parks. In drei Fällen, bei denen die Veranstaltungen zunächst verboten worden waren, bestätigten Gerichte zwar das Recht der LGBTI-Aktivisten auf friedliche Versammlung; die Urteile hatten jedoch keine Präzedenzwirkung.

Im Januar 2014 wurde die Journalistin Elena Klimova aus der im Ural gelegenen Stadt Nischni Tagil wegen »Propaganda von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen« unter Anklage gestellt. Sie hatte das Online-Projekt Children 404 gegründet, um LGBTI-Jugendliche zu unterstützen. Die Anklage scheiterte zunächst vor Gericht, wurde später dann aber erneut erhoben. Außerdem drohte man ihr mit der Schließung des Projekts.

Bei der Premiere eines Films über Children 404 im April 2014 in Moskau drangen Protestierende in den Saal ein und störten die Veranstaltung mit beleidigenden Schmährufen. Sie wurden von bewaffneten Polizisten begleitet, die darauf bestanden, die Ausweise aller Anwesenden zu kontrollieren, um festzustellen, ob Minderjährige darunter waren.

 

Türkei

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle waren auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt und wurden von staatlichen Behörden weiterhin diskriminiert. Die Bemühungen, ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität in der Verfassung oder in Gesetzen zu verankern, blieben erfolglos. 2014 gingen Berichte über mehrere Morde an Transgender-Frauen ein.

In dem Verfahren zum Mord an Ahmet Yıldız, einem schwulen Mann, der im Juli 2008 mutmaßlich im Namen der »Familienehre« ermordet wurde, waren 2014 keine Fortschritte zu verzeichnen. Der Vater des Opfers, der einzige Tatverdächtige, befand sich weiterhin auf freiem Fuß. Die Behörden hatten weder die Todesdrohungen untersucht, die Ahmet Yıldız vor seiner Ermordung erhielt, noch hatten sie nach dem Mord unverzügliche und wirksame Ermittlungen eingeleitet.

 

Ukraine

Eine für den 5. Juli 2014 geplante Pride Parade von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen in Kiew wurde abgesagt, nachdem die Polizei dem Organisationskomitee mitgeteilt hatte, die Sicherheit der Teilnehmer könne angesichts der zu erwartenden Gegendemonstrationen nicht gewährleistet werden. Der neu gewählte Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, erklärte am 27. Juni, solche »Unterhaltungsveranstaltungen« seien zu diesem Zeitpunkt in der Ukraine fehl am Platz.