Kamerun: Kurzdossier Homosexualiät – Besorgnis um die Gesundheit Inhaftierter

Aktion bis Ende Januar 2012 unterschreiben: Briefmarathon für Jean-Claude Roger Mbede
NB: 16.01.2012: Prozess fande heute statt. Urteil am 27. Januar. Quelle: SID’ADO (E/F)

update 13.01.2012 ONLINE-Petition: Vier Studenten in Kumba (Südwest-Region) festgenommen

< !img src="../pics/Kondegui_Prison_200.jpg" class="thbl"> Universität Yaoundé, © Amnesty

Ein dreiseitiges Dossier zur Situation von Homosexuellen in Kamerun beleuchtet die Themen: strafrechtliche Verfolgung, Gesetzeslage und Rechtsprechung, Haftbedingungen, Folter und Misshandlungen, Gesellschaftliche Situation.

Gleichzeitig nehmen wir mit Besorgnis zur Kenntnis, dass sich einige der Gefangenen im Kondengui-Gefängnis in Yaoundé in schlechter gesundheitlicher Verfassung befinden und trotz der Bemühungen keine medizinische Versorgung erhalten.

Von der Kamerun-Gruppe von Amnesty Deutschland:
Kurzdossier Homosexualiät in Kamerun (PDF, 3 S., 106 kB)

Mehr zu Kamerun:
Samstag, 10. Dezember 13 Uhr, Hirschenplatz: Unterschriften sammeln (Dez 2011).
Briefmarathon für Jean-Claude Roger Mbede – Anwältin behindert und bedroht (Dez 2011)
Erschreckende Zunahme von homophober Verfolgung – Zwei Männer zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt – Sofortige Freiassung gefordert (Nov 2011)
Kamerun: Muss endlich die homophoben Gesetze und deren Anwendung stoppen (Sep 2011).
Freilassung zweier junger Männer verlangt (Aug 2011).
Jean-Claude Roger Mbede aufgrund eines SMS für drei Jahre im Gefängis (Mai 2011).
< ! ----------------------------------------------------------------------------------->

Kurzdossier

< ! ----------------------------------------------------------------------------------->
Die Situation von Homosexuellen in Kamerun – 5.Jan. 2012, Amnesty International.

Festnahmen, Strafrechtliche Verfolgungen und Verurteilungen von vermeintlichen Homosexuellen

Kamerun erfährt in den letzten Monaten eine Welle von Festnahmen, strafrechtlichen Verfolgungen und Verurteilungen von vermeintlichen „Homosexuellen“ nach Abschnitt 347a des kamerunischen Strafgesetzbuchs, das gleichgeschlechtliche einvernehmliche Handlungen nicht aber Homosexualität an sich unter Strafe stellt. In den meisten Fällen sind junge Männer betroffen.

Zurzeit verbüssen mindestens drei Männer, die aufgrund dieses Gesetzes verurteilt wurden drei bzw. fünfjährige Haftstrafen in Kondengui, dem Zentralgefängnis der Hauptstadt Yaoundé. Ebendort befinden sich mindestens vier weitere Personen in Haft, die im Juli und August 2011 festgenommen wurden und die noch auf ihre Anklage oder ihr Gerichtsverfahren nach Abschnitt 347a warten. Mindestens drei weitere Menschen konnten mit Hilfe ihrer AnwältInnnen wieder frei kommen.

Neueren Berichten zufolge geschehen die Festnahmen aufgrund von Denunzierung oder mit Hilfe von Polizeispitzeln, die sich u. a. in soziale Netzwerke einschleichen und ihre Opfer der Polizei ausliefern, nachdem sie von ihnen oder ihren Familien Geld erpresst haben. (In Kamerun gehört Korruption auch bei der Polizei – zur Aufbesserung des Gehaltes – zum Alltag.) Andere werden von Familienangehörigen angezeigt, die sich so vor einer Stigmatisierung der gesamten Familie und der gesellschaftlichen Nachteile und Ausgrenzung schützen wollen. Wieder andere werden von ihren Mitmenschen denunziert, wohl wissend, dass die Polizei oder andere Sicherheitskräfte offensichtlich jede Person, die der Homosexualität verdächtigt wird, festnehmen.

Der Student Jean Claude Roger Mbede wurde am 28. April 2011 in einem unfairen Gerichtsverfahren aufgrund des oben genannten Abschnitt 347a der „Homosexualität und der versuchten homosexuellen Handlung“ für schuldig befunden und zu 3 Jahren Gefängnishaft und der Zahlung der Verfahrenskosten von 86.000 Francs CFA (ca. 130 €) verurteilt. Bei Nichtzahlung der Summe wird die Haftstrafe automatisch verlängert. Mbede hat Rechtsmittel gegen das Verfahren und Urteil eingelegt, die erste Anhörung im Berufungsverfahren fand nicht statt und wurde auf den 6. Februar 2012 vertagt.

Eine Eingabe der RechtsanwältInnen auf Freilassung auf Kaution wurde bisher noch nicht verhandelt und ein erneuter Gerichtstermin auf den 16. Januar 2012 einberaumt.

Am 22. November 2011 wurden drei im Juli festgenommene Männer in einem unfairen Gerichtsverfahren wegen homosexueller Handlungen zur Höchststrafe von 5 Jahren Gefängnis und zur Höchst-Geldbusse von 200.000 Francs CFA (ca. 300€) verurteilt. Bei Nichtzahlung der Summe verlängert sich die Haft um ein Jahr. Obwohl die beiden jungen Männer Jonas und Francky ihre Unschuld beteuerten – der Dritte war auf Kaution vorläufig entlassen worden und nicht mehr vor Gericht erschienen -, hat der Richter sie allein aufgrund der Aussagen der Polizei und wegen ihres femininen Aussehens für schuldig befunden. Ihr Anwalt hat Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Einem Ersuchen auf vorläufige Freilassung wurde bisher nicht stattgegeben. Gesetzeslage und Rechtsprechung

Amnesty International hält die Personen für gewaltlose politische Gefangene, die allein wegen ihrer (vermuteten) sexuellen Orientierung verfolgt oder verurteilt werden und fordert ihre unmittelbare Freilassung sowie die Aufhebung des Abschnitts 347a des Strafgesetzbuches von Kamerun.
Dieser Abschnitt führt aus: „Sexuelle Handlungen mit einer Person desselben Geschlechts werden mit einer Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bestraft und mit einer Geldstrafe zwischen 20.000 und 200.000 Francs CFA (ca. 30,5-305 €)belegt“. Die strafrechtliche Verfolgung von Erwachsenen wegen einvernehmlicher privater sexueller Handlungen unter Berufung auf das kamerunische Strafgesetz verstösst gegen internationale und regionale Menschenrechtsabkommen, darunter den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, die Kamerun beide unterzeichnet und ratifiziert hat.

Aktuellen Berichten zufolge soll das Gesetz noch verschärft werden. Das maximale Strafmass soll auf 15 Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe in Höhe von zwei Millionen Francs CFA (ca. CHF 4000) erhöht werden.

Haftbedingungen

Homosexuelle Gefangene oder solche, die dafür gehalten werden, leiden nicht nur an den unmenschlichen Haftbedingungen in kamerunischen Gefängnissen: Überbelegung, schlechte sanitäre Verhältnisse, mangelnde medizinische Versorgung und unzureichende Essensausgaben. Sie sind davon in besonderem Masse betroffen, da die meisten von ihnen von ihren Familien verstossen wurden und diese sie daher nicht mit Essen oder Geld versorgen, um z. B. ein Bett und notwendige Medikamente zu bezahlen, oder Arztkosten zu begleichen.

Folter, Misshandlung und andere Formen von grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung

Aufgrund ihrer mutmasslichen sexuellen Orientierung sind solche Gefangene sowohl im Gewahrsam als auch im Gefängnis ständig von homosexuellenfeindlichen Übergriffen, Folter und Misshandlungen durch Angehörige der Sicherheitsorgane, durch Mithäftlinge und Gefängnisangestellte bedroht und sind ihnen ungeschützt ausgesetzt. Immer wieder berichten Inhaftierte, dass sie unter Zwang einer medizinischen Analuntersuchung unterzogen werden, einer Form grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung. Täter und Täterinnen, die Menschenrechtsverletzungen an Schwulen, Lesben Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT) begehen, können sich der Straffreiheit sicher sein.

Homosexualität und Homophobie in Kameruns Gesellschaft

Homophobie ist in allen Kreisen der Gesellschaft Kameruns sehr weit verbreitet. Selbst der Nationale Menschenrechtsausschuss weigert sich die Rechte von LGBT anzuerkennen und zu schützen. Seit 2005 sprechen sich kirchliche Würdenträger regelmässig öffentlich gegen Homosexuelle aus und fordern eine härtere Bestrafung. Wenn das Gesetzesvorhaben zur Verschärfung der Strafmasse für gleichgeschlechtliche Handlungen beschlossen werden sollte, wird sich die ohnehin hohe Bereitschaft staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zu Diskriminierung und gewalttätigen Übergriffen an Menschen aufgrund ihrer vermuteten oder tatsächlichen sexuellen Identität noch weiter erhöhen. In gleichem Masse werden die Atmosphäre der Angst und die Ausgrenzung der betroffenen Personen aus allen Bereichen des Lebens zunehmen. Sie werden immer mehr in den Untergrund und die Verleugnung ihrer sexuellen Identität gedrängt werden. Gleichgeschlechtliche Paare können in Kamerun weder frei noch verdeckt leben, sie sind sowohl zu hause, im Hotel, auf der Strasse und an öffentlichen Orten der ständigen Gefahr der Diskriminierung und Denunziation ausgesetzt.

Pastor Jean-Blaise Kenmogne, Mitglied der Evangelischen Landeskirche Kameruns und Rektor der evangelischen Universität von Mbouo (West-Region) und die kamerunische Journalistin Anne Mireille Nzouankeu, Gewinnerin des 3. Journalisten Preises Lorenzo Natali (EU) haben in ihren Veröffentlichungen in der kamerunischen Zeitung Le Jour von diesem Jahr Homosexualität und Homophobie in Kamerun bzw. das Doppelleben Homosexueller als einzige Überlebensmöglichkeit analysiert und beschrieben.

Pastor Kenmogne beklagt das Fehlen einer wissenschaftlichen, geschichtlichen und kulturellen Beschäftigung und Auseinandersetzung mit Sexualität überhaupt und Homosexualität im Besonderen in seinem Land. Er kritisiert den falschen Umgang mit Bibelzitaten, die im Kampf gegen die Homosexualität herhalten müssen. Er verweist unter anderem auf die Rolle, die Homosexualität in elitären politischen, wirtschaftlichen Kreisen sowie in den Geheimbünden und Logen spielt, die sich der Kenntnis der einfachen BürgerInnen entziehen und von denen sie ausgeschlossen sind.

Nach eigenen Aussagen wird inzwischen aus Kreisen seiner evangelischen Kollegen gegen ihn intrigiert.

Die Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Rechte Homosexueller und LGBT sowie AIDS und HIV einsetzen, sind durch ihre Arbeit gefährdet, können nur verdeckt unter schwierigen Umständen arbeiten und müssen zeitweise oder für immer das Land verlassen.

Drei dieser NRO: ADEFHO (Association pour la Défense des Homosexuel(le)s / Verein für die Verteidigung Homosexueller Menschen), SID’ADO (les Adolescents contre le SIDA / Jugendliche gegen AIDS) und COFENHO(Collectif des Familles d’Enfants Homosexuels / Kollektiv der Familien homosexueller Söhne und Töchter) werden mit EU-Geldern in ihrer Arbeit unterstützt. Die Regierungsbehörden Kameruns haben öffentlich dagegen protestiert und vergeblich versucht die Auszahlung der Gelder zu verhindern.

Die Rechtsanwälte Me Alice Nkom und Me Michel Togue, die Homosexuelle vor Gericht vertreten, sind Drohungen ausgesetzt.

Trotz des Einsatzes dieser Menschen und Organisationen in Kamerun und internationaler Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, HRW, IGLHRC, ILGA, die für die Durchsetzung von LGBT-Rechten in Kamerun kämpfen, hat sich die Homosexuellenfeindlichkeit nicht verringert. Sie ist aber öffentlicher geworden, nicht zuletzt durch die Berichterstattung internationaler Presse: AFP, BBC, Le Monde, Libération, RFI, RNW u.a.

Weiterführende Amnesty-Dokumente

  • Kamerun: Drei Jahre Haft wegen Homosexualität, UA-Nr: UA-166/2011, AI-Index: AFR 17/003/2011 vom 3. Juni 2011
  • Kamerun: Zwei junge Männer wegen „Homosexualität“ in Haft genommen. AI Index: PRE01/396/2011 vom 15. August 2011
  • Cameroon: End ‚discriminatory‘ anti-gay laws, AI-Index: PRE 01/480/2011 vom 26.09.2011
  • Cameroon: Open letter. Laws criminalizing same-sex sexual conduct violate international human rights laws, AI-Index: TG AFR 17/2011.003 vom 26. 09 2011
  • Kamerun: Die wegen vermeintlicher homosexueller Handlungen zu Gefängnisstrafen verurteilten Männer müssen freigelassen werden, AI Index: PRE01/590/2011 vom 24.11.2011
  • Cameroon: Impunity underpins persistent abuse, AI-Index: AFR 17/001/2009 vom 29.01.2009, Kapitel 6 (S.24ff): Persecution based on actual or imputed sexual orientation

Quelle: Amnesty International Deutschland – Kamerun-Gruppe
Dossier als PDF-Dokument (PDF, 3 S., 106 kB)