Rund um die Welt marschieren in diesen Wochen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transmenschen, um Präsenz zu markieren und sich für gleiche Rechte einzusetzen. An einigen Orten wie Riga oder Kiev müssen sie das unter Polizeischutz tun, an anderen wie in Zürich oder New York marschiert die Polizei freudig mit – in Istanbul rückte sie an, um die Parade zu verhindern.

Eigentlich hätte es am 28. Juni einiges zu feiern gegeben für die LGBTI-Community der Türkei. Die nationalen Wahlen ein paar Wochen zuvor hatten die LGBT-unfreundliche Regierungspartei AKP zurückgebunden und die Opposition gestärkt. Und zwei Tage vor dem geplanten Pride March elektrisierte das Oberste Gericht der USA Lesben und Schwule rund um die Welt mit dem Entscheid, die Homo-Ehe im ganzen Land zu legalisieren. Der Hashtag #LoveWins dominierte die sozialen Medien bis weit in die Heterowelt hinein.

onuryuruyusu15_10Doch als sich die LGBT-Aktivisten am Taksim-Platz für die 13. Gay Pride in Istanbul versammeln wollten, sahen sie sich gepanzerten Polizeiwagen gegenüber und wurden mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen traktiert. Betroffen waren auch diverse Oppositionspolitiker und die Generalkonsule der USA und Grossbritanniens. Die Parade wurde aufgelöst, bevor sie richtig begonnen hatte – zum ersten Mal seit 2003.

Die Begründung der Behörden ist widersprüchlich. Laut den Pride-Veranstaltern erhielten sie wenige Stunden vor dem geplanten Marsch plötzlich die Nachricht, Gouverneur Vasip Sahin habe die Pride verboten, weil sie in den für die Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan falle. Dies war allerdings schon 2014 der Fall gewesen, wo die Parade ohne Probleme stattgefunden hatte und rund 90’000 Personen mitmarschiert waren. Am Tag nach dem brutalen Polizeieinsatz rechtfertigen die Behörden ihr Vorgehen damit, dass es auf sozialen Medien Hinweise auf mögliche Störungen durch andere Gruppen gegeben hatte. Das Eingreifen der Polizei sei angemessen gewesen, schliesslich seien die Veranstalter vorgewarnt gewesen. Zudem habe es keine ernsthaften Verletzungen gegeben. Augenzeugen hingegen sprachen von mindesten fünf Verletzten.

Diverse Parlamentarier der Opposition kritisierten das Vorgehen der Sicherheitskräfte scharf, ebenso wie Mitglieder es Europaparlaments. „Diese staatlich orchestrierte Gewalt ist ein verzweifelter Akt der Behörden, die sich einer zunehmend stärkeren Opposition gegenübersehen, im Parlament ebenso wie in der Zivilgesellschaft“, sagte Terry Reintke, eine grüne Europa-Parlamentarierin aus Deutschland, die an der Pride teilgenommen hatte.

Auch Amnesty International reagierte: „Das Verbot des Pride Marschs repräsentiert einen neuen Tiefpunkt im Versagen der türkischen Behörden, die Rechte von LGBTI-Menschen zu respektieren“, hiess es in einer Medienmitteilung. Die kurzfristige Absage sei umso merkwürdiger, als die Veranstalter und die Behörden in den Tagen vor der Parade in Diskussionen gestanden hatten. Zudem hätten die türkischen Behörden nur zwei Tage zuvor im Uno-Menschenrechtsrat zugesichert, die Rechte zur friedlichen Versammlung und für LGBT-Menschen zu respektieren.

Amnesty fordert eine sofortige, unparteiische Untersuchung der Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte sowie die Zusicherung der Behörden, dass künftige Pride-Paraden wieder stattfinden können. Das Pride-Komitee wiederum wird offiziell Anzeige erstatten gegen den türkischen Innenminister, sowie den Gouverneur und den Polizeichef von Istanbul. Die Veranstalter ärgern sich insbesondere darüber, dass der muslimische Fastenmonat Ramadan als Grund für das Verbot ins Spiel gebracht wurde. So setze man den muslimischen Glauben und die LGBT-Identität künstlich im Gegensatz zueinander, mit dem Ziel Lesben, Schwule und Transmenschen zu dämonisieren, heisst es in einem Statement des Pride-Komittees. Dies lege die Basis für weitere Attacken gegen LGBT-Menschen.

Das Komitee versichert aber auch, dass die Parade nächstes Jahr wieder stattfinden wird – und jedes weitere Jahr danach ebenfalls. „Wir sind hier, um zu bleiben. Gewöhnt euch dran!“

Bilder: kaosgl.com / vice.com