Am 14. März hat die Regierungskoalition in Georgien den Entwurf einer Verfassungsänderung vorgelegt, um die Ehe ausschliesslich als Verbindung zwischen Mann und Frau zu definieren. Damit würden LGBTI-Personen diskriminiert, da sie nicht in derselben Weise wie heterosexuelle Paare ihr Recht auf Familienleben sowie alle anderen sozialen Rechte, die mit der Eheschliessung einhergehen, wahrnehmen könnten.

Am 7. März kündigte der georgische Ministerpräsident Giorgi Kwirikaschwili an, das regierende Parteienbündnis „Georgischer Traum“ habe sich entschlossen, Pläne für eine Verfassungsänderung weiter voranzubringen, mit denen die Ehe ausschliesslich als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert werden soll. Als Begründung führte der Ministerpräsident „die Verteidigung der Ehe als wichtigen [gesellschaftlichen] Wert“ an. Achtzig von 150 Parlamentsabgeordneten unterzeichneten den Änderungsantrag, der am 10. März dem Präsidium des Parlaments vorgelegt und am 14. März offiziell eingebracht wurde.

Artikel 36 der georgischen Verfassung definiert die Ehe derzeit als „freiwillige Verbindung basierend auf der Gleichstellung der Ehepartner“. Wird die Ehe verfassungsrechtlich ausschliesslich als Verbindung zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts definiert, so ist dies eine direkte Diskriminierung von LGBTI-Personen, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben bzw. eine gleichgeschlechtliche Verbindung eingehen möchten. Verletzt werden dabei z. B. ihre Rechte auf Familienleben und Eheschliessung. Darüber hinaus werden ihnen alle wirtschaftlichen und sozialen Rechte vorenthalten, die mit der Eheschliessung einhergehen. Das georgische Zivilgesetzbuch sieht derzeit für gleichgeschlechtliche Personen weder ein Recht auf Eheschliessung noch die Wahrnehmung des Rechts auf Familienleben vor. Ein ausdrückliches, in der Verfassung verankertes Verbot der gleichberechtigten Ehe würde die Rechtslage für LGBTI allerdings noch weiter verschärfen, da es jeglichen künftigen Spielraum für die rechtliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe ausräumen würde. Zudem liefe ein solcher Schritt der verstärkten weltweiten Durchsetzung der gleichberechtigten Ehe zuwider.

Nichtregierungsorganisation, die sich in Georgien für LGBTI-Rechte stark machen, haben am 17. Februar eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben, in der sie die geplante verfassungsrechtliche Einschränkung der Eheschliessung scharf verurteilten. Sie bezogen sich auf das hohe Mass an Hass, Diskriminierung und Gewalt, das LGBTI in Georgien entgegenschlägt, und führten aus, dass LGBTI-AktivistInnen genau aus diesem Grund nie eine öffentliche Kampagne für die gleichberechtigte Ehe geführt haben. Die NGOs zeigten sich besorgt, dass die mit der vorgeschlagenen Verfassungsänderung einhergehende öffentliche Diskussion das Potenzial hat, LGBTI-Personen noch weiter auszugrenzen. Die Verfassungsänderung hätte für LGBTI neben der Verletzung ihrer Rechte auf Familienleben und Eheschliessung noch weitere schwere menschenrechtliche Konsequenzen: die alltägliche Diskriminierung, die gleichgeschlechtliche Paare in Georgien erfahren, würde sich weiter verschärfen.

ONLINE-PETITION UNTERZEICHNEN

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*Diese Petition wird per Email an den Parlamentspräsidenten sowie die Georgische Botschaft in Bern gesandt (Adressen siehe unten).

EMPFOHLENE AKTIONEN IM DETAIL

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS, FACEBOOK- UND TWITTERNACHRICHTEN MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass die Regierungskoalition die vorgeschlagene Verfassungsänderung zur Einschränkung der verfassungsrechtlichen Definition von Ehe zurückzieht, da dies in der Praxis dazu führen würde, dass gleichgeschlechtliche Paare diskriminiert werden.
  • Ich appelliere an Sie, die Rechte aller Menschen in Georgien zu achten, zu schützen und zu gewährleisten, und zwar unabhängig von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität.

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Georgisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 28. April 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT,
Giorgi Kwirikaschwili,
7 Ingorokva St, Tbilisi 0114,
GEORGIEN
Facebook: facebook.com/KvirikashviliOfficial
Twitter: @KvirikashviliGi
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)

PARLAMENTSPRÄSIDENT,
Dawit Usupaschwili,
26 Abashidze St, Kutaisi 4600,
GEORGIEN
E-Mail: contact@parliament.ge
Facebook: facebook.com/DavidUsupashviliOfficial
Twitter: @D_Usupashvili
(Anrede: Dear Speaker of the Parliament / Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident)

KOPIEN AN

PRÄSIDENT,
Giorgi Margwelaschwili,
1 Abdushelishvili St,
Tbilisi 0103,
GEORGIEN

AMBASSADE DE GÉORGIE,
Seftigenstrasse 7,
3007 Berne.
Fax: 031/351 58 62
E-mail: bern.emb@mfa.gov.ge

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ist ein international anerkanntes Prinzip, das seit mehr als einem Jahrzehnt von der internationalen Gemeinschaft bekräftigt wird. Als Querschnittsprinzip ist es auf alle Menschenrechte anwendbar, die mittels internationaler Standards garantiert werden. Zahlreiche Länder haben dieses Prinzip mittlerweile auf vielerlei Ebenen in ihr nationales Recht integriert, beispielsweise was Gesetze über Lebensgemeinschaften angeht. Durch die Verweigerung einer gleichwertigen zivilrechtlichen Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen werden viele Menschen gleichzeitig auch an der Wahrnehmung vieler anderer Rechte gehindert, wie z. B. der Rechte auf Wohnen und soziale Sicherheit. Zudem werden dadurch gleichgeschlechtliche Beziehungen auf eine Weise stigmatisiert, die Diskriminierung und weiteren Menschenrechtsverstössen gegen LGBTI-Personen Vorschub leisten könnte.

Amnesty International wendet sich gegen jegliche Diskriminierung in zivilrechtlichen Eheschliessungsgesetzen auf der Grundlage der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Regierungen sollten selbst gewählte Beziehungen und Familienzusammenschlüsse („families of choice“) anerkennen, wenn nötig auch grenzübergreifend.

Am 25. Dezember 2015 klagte ein sich selbst als schwul bezeichnender Mann vor dem georgischen Verfassungsgericht. Er hielt es für verfassungswidrig, dass es ihm unter den aktuellen zivilrechtlichen Bestimmungen nicht gestattet war, seinen gleichgeschlechtlichen Partner zu heiraten. Georgische LGBTI-Organisationen distanzierten sich von der Klage, da sie der Ansicht waren, sie könne zum Anlass genommen werden, um die Verfassung abzuändern und die Ehe ausschliesslich als Verbindung zwischen Mann und Frau zu definieren.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle werden in Georgien häufig zur Zielscheibe von Diskriminierung, Hassreden und Gewalt. Verbrechen mit homophobem oder transphobem Hintergrund werden von den Behörden so gut wie nie wirksam untersucht. Am 17. März 2012 wurden LGBTI-Aktivist_innen in Tiflis bei einer friedlichen Demonstration im Rahmen des Internationalen Tages gegen Homophobie und Transphobie (IDAHOT) von einer Gruppe orthodoxer ChristInnen beleidigt und bedroht. Die IDAHOT-Demonstration am 17. März 2013 musste aufgelöst werden, nachdem Tausende Personen die AktivistInnen tätlich angriffen hatten und die Polizei nicht in der Lage war, für die Sicherheit der TeilnehmerInnen zu sorgen. Keiner dieser Vorfälle wurde je wirksam untersucht.

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