Europäischer Menschenrechtskommissar:
„Schweiz immer noch schwach bei der Bekämpfung von Diskriminierung”

Thomas Hammarberg, Europäischer Kommissar für Menschenrechte besuchte im Februar die Schweiz

Die Schweiz soll verstärkt gegen Diskriminierung vorgehen. Das forderte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, nach einem viertägigen Besuch in der Schweiz.
Dies betrifft insbesondere MigrantInnen sowie Lesben, Schwule und Transsexuelle. Er bemängelte das Fehlen eines Antidiskriminierungsgesetzes und diskriminierende Praktiken bezüglich der Anerkennung von Transsexuellen.

28.03.2012, Europarat, Menschenrechtskommissariat:
< !a href="http://www.coe.int/t/commissioner/News/2012/120328Switzerland_de.asp" target="coe_120328Switzerland_de"> Schweiz immer noch schwach bei der Bekämpfung von Diskriminierung (Deutsch)

12.03.2012: Schreiben von Thomas Hammarberg an den Bundesrat (Deutsch)
23.03.2012: Antwort von Bundesrat Didier Burkhalter (Französisch)
Didier Burkhalter antwortet in Bezug auf das Fehlen eines Diskriminierungsschutzes für LGBTI, dass die Schweiz in der Praxis die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung mit dem Verfassugsartikel 8, Abs. 2 verbiete. Dort steht der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der „Lebensform“.
Herr Bundesrat Didier Burkhalter, setzen Sie bitte das von Ihnen postulierte Diskriminierungverbot um!

Zur Info:
-Per 1. April 2012 übernimmt Nils Muižnieks das Amt des Menschenrechtskommissars. Dazu NZZ, 4.4.2012: Hohe Erwartungen auf Nils Muiznieks (PDF)
-Britischer Vorsitz: LGBT- Rechte sind eine Priorität im Ministerkomitee des Europarates.

24.02.2012, Tages-Anzeiger: Europarat beunruhigt über Schweizer Intoleranz.
23.02.2012, sda-Meldung: Schweiz soll stärker gegen Diskriminierung vorgehen.

Europarat zu LGBT in der Schweiz:
LGBT-Discrimination, Legal Report, Switzerland, by BA Alecs Recher (Engl.)
LGBT-Discrimination, Sociological Report, Switzerland (Englisch)

Europa: Umfassende Studie zeigt – LGBT werden immer noch diskriminiert (Juni 2011)
Auch Transgender sollen ihre Rechte voll und ganz geniessen können (Juli 2009)
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Meldung Europrat

< ! -----------------------------------------------------------------------------------> „Schweiz immer noch schwach bei der Bekämpfung von Diskriminierung”,
Europarat

Strassburg, 28/03/2012 – „Vorfälle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit scheinen in der Schweiz anzusteigen. Beunruhigende politische Kampagnen, mit aggressiven, beleidigenden Slogans gegen Ausländer sind eine besorgniserregende Tendenz ”, erklärt Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats, anlässlich der Veröffentlichung eines Schreibens an Bundesrat Didier Burkhalter, Vorsteher des Schweizerischen Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten.

„Obwohl wir den Wert und die Bedeutung einer offenen politischen Debatte anerkennen, muss deutlich gemacht werden, dass die Meinungsfreiheit nicht absolut ist: Hassreden, welche die Rechte Anderer verletzen, sind inakzeptabel. Das Schweizer Strafrecht muss überarbeitet werden, um die Straflosigkeit öffentlicher fremdenfeindlicher und rassistischer Äusserungen zu beenden.

Kommissar Hammarberg ergänzt, dass „die Schweiz ihre Gesetzgebung zur Bekämpfung von Diskriminierung stärken muss, um europäische und internationale Menschenrechtsstandards vollständig zu erfüllen.” Ein umfassendes Gesetz gegen Diskriminierung würde dazu beitragen, die bestehenden Mängel zu überwinden, nicht nur im Hinblick auf die Rechte von Ausländern, sondern auch im Hinblick auf den Schutz und die Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau, der Rechte von behinderten Menschen und von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender Menschen.

Der Kommissar verweist auch mit Sorge auf die vor kurzem ergangene Entscheidung, das Recht von Migranten auf Einheit der Familie zu beschränken, so wie auf weitere Vorschläge, Familienzusammenführungen in der Schweiz noch weiter zu erschweren. Der Grundsatz der Achtung des Familienlebens von Migranten, der sich in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der Rechtsprechung des Gerichtshofes widerspiegelt, ist seit Jahrzehnten Teil der Schweizer Integrationspolitik. Es wäre bedauerlich, so der Kommissar, wenn diese positive Tradition nun aufgegeben würde.

Andererseits begrüsste er die Absicht der Behörden, die übermässig langen Asylverfahren zu verkürzen und ein umfassendes Rechtshilfesystem einzuführen, um faire Asylverfahren zu gewährleisten. Gleichzeitig werden die Behörden dringend aufgefordert sicherzustellen, dass keine Asylbewerber auf Grundlage der „Dublin-Verordnung“ nach Griechenland überstellt werden, und zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der klar gestellt hat, dass gegenwärtig die Asylsuche und der Schutz in Griechenland nicht möglich sind.

Abschliessend betont Kommissar Hammarberg die Notwendigkeit für unabhängige und effektive Mechanismen der Kontrolle, der Rechtsbehelfe und der Prävention von Menschenrechtsverletzungen auf allen Ebenen des föderalen Systems. „Das System zum Schutz der Menschenrechte in der Schweiz würde erheblich von der Einrichtung von Ombudspersonen in allen Kantonen, ergänzt durch eine Ombudsperson auf Bundesebene mit einer Koordinierungsfunktion, und einer lange erwarteten nationalen Menschenrechtsinstitution profitieren“, erklärt der Kommissar. Gute Praxisbeispiele, von denen man lernen kann, wie z. B. die Ombudspersonen in den Städten Zürich und Basel, gibt es bereits.

Quelle: Europarat, Menschenrechtskommissariat

Französisch: La Suisse a encore des efforts à faire en matière de lutte contre la discrimination

Englisch: Switzerland still weak in the combat against discrimination

Aus dem Anhang, Punkt 8, LGBT:

Die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind nicht ausdrücklich als Gründe für eine mögliche Diskriminierung nach Artikel 8 der Verfassung genannt. Die Bedürfnisse und die Verwundbarkeit der LGBT-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen) sind nicht immer gut genug bekannt und politische Massnahmen sind nicht in allen Fällen entsprechend angepasst. Insbesondere müssen Gesetze und Praxis geändert werden, damit die Diskriminierung von Transgender-Personen abgeschafft wird. Die Bedingung einer operativen Sterilisierung, Zwangsscheidung, zwingende Hormonbehandlung vor einer Namensänderung sowie der mangelhafte Zugang zu qualifizierter Gesundheitsversorgung sind ernsthafte Hindernisse dafür, dass diese Personen ihre Menschenrechte in vollem Umfang geniessen können. In dieser Hinsicht begrüsst der Menschenrechtskommissar die vom Eidgenössischen Amt für das Zivilstandswesen am 1. Februar 2012 veröffentlichte Rechtsauskunft, welche die kantonalen Behörden anweist, weder eine operative Sterilisierung, noch eine Zwangsscheidung zu verlangen, bevor eine Geschlechtsänderung offiziell vorgenommen werden kann.

Aus der Antwort von Bundesrat Didier Burkhalter:

(ad 8) Dans la pratique suisse l’interdiction de la discrimination sur le base de l’orientation sexuelle est considérée comme étant garantie par l’article 8 alinéa 2 de la Constitution fédérale, que interdit la discrimination d’une personne du fait de son mdode de vie.

DT: In der Praxis betrachte die Schweiz die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung mit dem Ausdruck „Lebensform“ im Verfassugsartikel 8, Abs. 2 als verboten:
Art. 8 Rechtsgleichheit …
2 Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.