Die Umfragen hatten es ja schon länger vorausgesagt, doch so ganz wagte man es dennoch nicht, ihnen zu trauen. «Die Abstimmung ist noch nicht gewonnen!», «Jetzt nur nicht überheblich werden!», «Umfragen können auch falsch sein!», warnten die diversen LGBTI*-Organisationen und -Aktivist*innen im Vorfeld. Geschadet hat das sicher nicht – wie sonst lässt sich die für Schweizer Verhältnisse erstaunlich hohe Stimmbeteiligung von 52,6% erklären? Die andere nationale Vorlage hatte nie auch nur den Hauch einer Chance und dürfte kaum gross mobilisiert haben. Vielleicht tat es die eine oder andere kantonale Vorlage oder Wahl.

Am Ende hat mit 64,1% jedenfalls fast zwei Drittel der Schweizer Stimmbevölkerung der «Ehe für alle» ihren Segen erteilt. Und hätte es ein Ständemehr gebraucht, hätten wir auch das locker geschafft: Kein einziger Kanton sagte Nein, nicht mal die üblichen Verdächtigen.

Ein bemerkenswert deutlicher Triumph, der trotz einer teils gehässigen Negativkampagne der Gegner*innen gelungen ist. Hätten sie das Referendum nicht zustande gebracht, hätten sie noch jahrelang dunkel raunen können, dass das Volk gar nicht wirklich hinter dem Parlamentsentscheid zur gleichgeschlechtlichen Ehe steht. So gesehen haben sich die Gegner*innen mit dieser Volksabstimmung nun selbst den Wind aus den Segeln genommen. Sie haben es dem Schweizer Volk ermöglicht zu zeigen, wie entspannt eine grosse Mehrheit  gleichgeschlechtlichen Beziehungen heute gegenüber steht, selbst wenn Kinder ins Spiel kommen.

Das Ende einer Ära

Wer alt genug ist, die 1960er-, -70er- oder -80er-Jahre miterlebt zu haben, kann sich da nur verblüfft die Augen reiben. Die heutige Realität hätte damals wie Science Fiction geklungen – so erreichbar wie das Beamen und der Warp-Antrieb in «Star Trek» (beides noch immer nicht in Sicht…). Und wer schon damals begonnen hat, sich zu engagieren – erst für mehr «Toleranz», dann zunehmend für gleiche Rechte –, der dürfte nach diesem 26. September 2021 auch das Gefühl haben, am Ende einer Ära zu stehen: Die jahrzehntelange Schlacht ist geschlagen, und wir haben sie gewonnen. Es ist vorbei.

Ist es natürlich nicht. Für die LGBTI*-Gemeinschaft gibt es auch in der Schweiz noch weitere Schlachten auszufechten – und international ist die Lage vielerorts noch immer erschreckend düster. Der Kampf geht also weiter. Diese Abstimmung jedoch illustriert, dass er sich lohnt.