Schöne Jünglinge, die sich rettungslos ineinander verlieben, stehen im Zentrum der «Boys Love»-Serien, die in Asien derzeit wie am Fliessband entstehen. Insbesondere in Thailand, wo es derzeit auch politische Fortschritte für Queers gibt. Haben die Trends etwas miteinander zu tun?

Kinn ist der Kronprinz einer mächtigen Mafiafamilie in Bangkok. Eines Nachts gerät er trotz seiner Leibwächter in Bedrängnis, als er von einem gegnerischen Clan verfolgt wird. Porsche, ein Bartender mit Kampfsporttalenten, wird zufällig in den Konflikt verwickelt und rettet Kinn das Leben. Worauf dessen Vater ihm einen Job als neuer Chef-Leibwächter seines Sohns anbietet. Und natürlich dauert es nicht lange, bis die beiden attraktiven jungen Männer sich ineinander verlieben – doch stellen sich dem Liebesglück immer wieder neue Hürden in den Weg. Kommen sie wirklich zusammen?

Die beiden Stars der BL-Serie «KinnPorsche»: Mile Phakphum Romsaithong als Kinn (links) und Apo Nattawin Wattanagitiphat als Porsche.

Die thailändische Serie «KinnPorsche» bietet Action, Sex, Crime, Romantik und gehört zu den Highlights des Jahres im «Boys Love»-Genre (BL). Dieses stammt ursprünglich aus der japanischen Manga-Welt und erzählt romantische Geschichten um hübsche Jungs mit viel Drama, grossen Gefühlen und reichlich nackter Haut. Die oft seifenopernartigen Storys richten sich eigentlich primär an ein weibliches Publikum, finden aber unter Schwulen immer mehr Anklang. Während die Comics oft auch pornografischen Charakter haben, sind die Serien in der Regel züchtiger, wobei «KinnPorsche» expliziter ist als andere.

Superstars dank BL

Neben Thailand produzieren mittlerweile auch Taiwan, Südkorea und andere asiatische Länder BL-Serien quasi am Fliessband. Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Produktionen heraus, die zunehmend auf ein internationales Publikum zielen und teilweise auch hierzulande online mit englischen Untertiteln gestreamt werden können. Einigen der Darsteller ist es gelungen, grosse globale Fangemeinden zu erobern, zu ihnen gehören die thailändischen BL-Superstars Max Nattapol Diloknawarit (28) und Tul Pakorn Thanasrivanitchai (29), der Einfachheit halber MaxTul genannt.

Die beiden (mutmasslich heterosexuellen) Schauspieler haben seit 2016 bereits in vier BL-Serien gespielt – letztmals 2020 im Krimidrama «Manner of Death» – und benehmen sich auch in den sozialen Medien gerne wie ein verliebtes Paar. Zudem setzen sie sich offensiv für LGBTQI*-Rechte ein – und dies auch bei Auftritten in Ländern, die deutlich konservativer ticken als das relativ liberale Thailand. Gerüchteweise soll noch dieses Jahr eine neue BL-Serie mit den beiden ausgestrahlt werden, ihre Fans warten bereits sehnsüchtig.

Thailändische BL-Supertars: Tut Pakorn Thanasrivanitchai (links) und Max Nattapol Diloknawarit.

Thailand gilt gesellschaftlich schon lange als sehr offen gegenüber queeren Menschen. Aber es war Taiwan, das 2019 als erstes und bisher einziges asiatisches Land die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet hat. Doch auch in Thailand steht dies schon länger zur Diskussion, und derzeit bewegen sich gleich mehrere ähnliche Gesetze durchs Parlament; neben der Ehe auch ein etwas weniger weit gehendes Partnerschaftsgesetz. Dieses wäre jedoch mit nahezu denselben Rechten und Privilegien verbunden, inklusive Adoption von Kindern.

Oft weit weg von der Realität

Die Aktivist*innen der Organisation Apcom in Bangkok setzen sich schon seit Jahren für gleiche Rechte und eine bessere soziale und wirtschaftliche Inklusion queerer Menschen ein. Sie sehen das diskutierte Partnerschaftsgesetz als Schritt in die richtige Richtung, würden jedoch die volle Gleichstellung mit der Ehe bevorzugen. «Generell ist es in den Städten leichter für LGBTQI*, ein offenes, gutes Leben zu führen als in ländlichen Regionen», sagt Midnight Poonkasetwattana, Executive Director von Apcom. «Zudem sind die Möglichkeiten von trans Menschen limitierter, weil ihr Geschlecht rechtlich nicht anerkannt ist.»

Ob der Mainstreamerfolg der BL-Serien sich positiv auf die Situation von Queers auswirke, sei schwer einzuschätzen, sagt Midnight. Viele stünden dem Genre etwas skeptisch gegenüber. «Es geht halt schon vor allem um Unterhaltung und dreht sich bestenfalls am Rande um relevante LGBTQI*-Themen», erklärt er. Der wirtschaftliche Erfolg sei jedoch erfreulich. «Und die internationale Popularität dieser Serien verstärkt Thailands Soft Power.»

2016 hat Apcom sogar selbst die Webserie «GayOK Bangkok» produziert. «Es ging uns darum, Dinge aufzugreifen, welche die Community beschäftigen – neben Sexualität auch sexuelle Gesundheit und das Leben mit HIV. Alles Themen, die in Mainstreammedien normalerweise nicht vorkommen.» Die Serie wirkt denn auch realistischer als die üblichen BL-Romanzen. Wobei das Genre mit dem Erfolg vielfältiger und differenzierter wird. Inzwischen thematisieren Serien öfters auch reale Herausforderungen für junge Schwule, etwa das Coming-out gegenüber Eltern und Freund*innen.

Midnight hofft, dass künftig mehr offen queere Schauspieler in diesen Serien mitspielen. «Das würde wohl auch zu realistischeren Geschichten führen, die stärker auf unsere soziale und rechtliche Situation eingehen.» So seien etwa Diskriminierung oder Hate Crimes trotz aller Offenheit auch in Thailand noch immer verbreitet.

Fortschritte und Rückschritte

Insgesamt sieht Midnight gewisse Fortschritte in Südost- und Ostasien, gleichzeitig herrsche aber in vielen Ländern noch immer ein eher konservatives Klima, basierend auf traditionellen Werten. «Zudem stehen Demokratie, Zivilgesellschaft und Menschenrechte vielerorts unter Druck, was es nicht leichter macht für unsere Anliegen.»

Kaum Fortschritte gibt es etwa in Indonesien, wo der Einfluss eines konservativeren Islam zunimmt. In China, das gegenüber Homosexualität für gewisse Zeit offener wurde, hat sich die Lage unter dem autoritäreren Parteichef Xi Jinping wieder verschlechtert. Nicht nur wurden LGBTQI*-Organisationen derart unter Druck gesetzt, dass sie sich teilweise selbst aufgelöst haben; kürzlich wurden sogar die auch in China äusserst populären BL-Serien offiziell verboten, weil man einen negativen Einfluss auf die Jugend befürchtet. Die Partei sieht gesellschaftliche Bewegungen, die sich für mehr Rechte von einzelnen Gruppen einsetzen, generell als Gefahr für ihre eiserne Kontrolle.

Der BL-Serienhit «Bad Buddy» darf in China nicht mehr geschaut werden.

Doch es gibt auch Lichtblicke. Der «Economist» rapportierte kürzlich Umfragen, nach denen in den Philippinen 73 Prozent finden, dass die Gesellschaft Homosexualität akzeptieren sollte. 70 Prozent in Vietnam sagen, sie würden sich über gleichgeschlechtliche Nachbarn freuen. Andere Umfragen zeigen, dass in Japan 65 Prozent der Bevölkerung die «Ehe für alle» unterstützen. Die ist zwar noch nicht unmittelbar in Sicht, umso mehr als ein Gericht Mitte Juni urteilte, dass das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare nicht verfassungswidrig sei. Aber rund 200 Gemeinden und Städte anerkennen lesbische und schwule Partnerschaften inzwischen, was etwa das Mieten von Wohnungen oder Spitalbesuche erleichtert. Ab Oktober wird dies auch in der Hauptstadt Tokio der Fall sein.

Generell zeigen Umfragen, dass die jüngeren Generationen in vielen Teilen Asiens gegenüber Queers deutlich aufgeschlossener sind als ihre Eltern und Grosseltern, selbst wenn Politik und Gesetze hinterherhinken. Diese jüngere Generation ist auch das Zielpublikum der BL-Serien. Die japanische Professorin Yukari Fujimoto, die sich an der Meiji Universität in Tokio mit Popkultur und Genderthemen befasst, glaubt denn auch, dass diese Geschichten durchaus einen Einfluss haben, wie sie auf nippon.com sagt. «Durch ihre sensible Darstellung der Diversität in menschlichen Beziehungen verändern diese Serien soziale Normen und gesellschaftliche Stereotypen.» Das ganz normale Alltagsleben, das in den realistischeren BL-Serien gezeigt werde, könnte so «nach und nach ins Bewusstsein der Menschen einsickern – und eine neue Ära einläuten».

 

Thailändische BL-Serientipps

GayOK Bangkok (2016, 2 Staffeln)

Der etwas nerdige Pom ist stets vergeblich auf der Suche nach Liebe, während sein attraktiver egozentrischer Mitbewohner Arm sein Singleleben mit vielen One-Night-Stands geniesst. Oaff derweil ist schon länger in einer Beziehung mit dem deutlich jüngeren Big und sorgt sich, dass dieser fremdgehen könnte. Die Serie erhebt Anspruch auf etwas mehr Realismus und gibt Einblick in das Alltags-und Beziehungsleben von jungen Schwulen in Bangkok.

KinnPorsche (2022)

Kinn ist der Sohn eines Mafiabosses, Porsche ein Bartender, der zu dessen Leibwächter wird und bald realisiert, dass sein neuer Chef auf Männer steht. Zaghaft entwickelt sich zwischen den beiden eine Romanze, die durch den Mafiaalltag jedoch immer wieder in Gefahr gerät.

Bad Buddy (2022)

Pran und Pat kennen sich schon seit ihrer Kindheit – ihre Eltern waren Nachbarn und konnten sich gegenseitig nicht ausstehen. Diese Rivalität erwarten sie auch von ihren Söhnen, doch kamen die schon als Kinder besser miteinander aus als erwünscht. Nach einigen Jahren der Trennung begegnen sich die beiden jungen Männer unerwartet an der Universität wieder. Und realisieren bald, dass sie mehr als nur freundschaftliche Gefühle füreinander empfinden. Zuerst versuchen sie, ihre Romanze geheim zu halten, doch das geht nicht lange gut.

Manner of Death (2020)

Der Arzt Bun übernimmt einen neuen Job in einem Krankenhaus in der Provinz, wo er einst aufgewachsen ist. Schon bald ist er mit dem Tod einer alten Freundin konfrontiert, die scheinbar Suizid begangen hat. Doch es gibt einige Ungereimtheiten, in deren Zentrum Tan steht, ein anderer Freund der Toten. Nachdem dieser Bun von seiner Unschuld überzeugt hat, suchen die beiden gemeinsam nach der Wahrheit – und kommen sich dabei immer näher. Die vierte Serie der BL-Superstars MaxTul.

I told Sunset about you (2020)

Teh und Oh-aew waren als Kind beste Freunde, wurden jedoch nach einem heftigen Streit zu Rivalen. Nach Jahren begegnen sie sich im Chinesischunterricht wieder, mit dem sie sich auf die Aufnahme an eine Universität vorbereiten. Nach anfänglichem Misstrauen schaffen sie es, ihre Freundschaft zu erneuern, doch schon bald entwickelt Oh-aew Gefühle, von denen Teh völlig überfordert ist.

3 will be Free (2019)

Neo ist ein männlicher Stripper, der in Schwierigkeiten gerät, nachdem er eine Affäre mit der Geliebten eines Gangsterbosses hat. Shin ist der schwule Sohn dieses Gangsterbosses, der einst eine verheissungsvolle, wenn auch platonische Nacht mit Neo verbracht hatte. Miw ist Managerin einer Stripbar mit einer schwierigen Vergangenheit. Durch Zufall treffen die drei aufeinander, als Neo von Schergen des Gangsterbosses verfolgt wird – und töten in Notwehr einen von diesen. Nun müssen sie nicht nur gemeinsam eine Lösung finden, wie sie aus dieser Lage wieder rauskommen, es entsteht auch ein kompliziertes Beziehungsdreieck: Shin und Miw verlieben sich in Neo – und der ist beiden nicht abgeneigt.

Alle diese Serien (und viele mehr) können auf dramacool.ee mit englischen Untertiteln gestreamt werden. Einige finden sich auch auf Youtube.