Die Generalversammlung von Amnesty Schweiz unterstützt die Forderung von Queeramnesty, die Arbeit zum Thema Intersexualität und Menschenrechte auf nationaler und internationaler Ebene zu intensivieren. Die entsprechende Motion wurde bei der heutigen Generalversammlung (26. April 2015) einstimmig angenommen.

Der Forderungskatalog umfasst drei Punkte:

  • Der Vorstand der Schweizer Sektion bemüht sich, die Arbeit zum Thema Intersexualität und Menschenrechte zu aktivieren.
  • Der Vorstand setzt sich auf internationaler Ebene dafür ein, mittels Berichten, Hintergrundinformationen und Einzelfällen sowie Vorschläge für die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit das Thema breiter bekannt zu machen.
  • Betroffene von intersex-spezifischen Menschenrechtsverletzungen sollen dafür im Direktkontakt einbezogen werden.

Queeramnesty begrüsst die Annahme dieser Motion und dankt der Generalversammlung für die Unterstützung!

Hintergrund

In der Schweiz werden nach Schätzungen von Experten jedes Jahr 40 intersexuelle Menschen geboren. Intersexuelle Menschen, die sich selbst auch als Zwitter oder Hermaphroditen bezeichnen, entsprechen in ihrer genitalen, chromosomalen und hormonalen Charakteristik wie auch in ihrer Fortpflanzungsanatomie nicht den gemeinhin geltenden Standardkategorien von männlich und weiblich. Intersexualität tritt in einer großen Spannweite unterschiedlicher Erscheinungsformen auf und stellt keine Krankheit dar. Intersexuelle Kinder können (mit einigen ganz seltenen Ausnahmen) ohne gesundheitliche Schäden aufwachsen.

Dennoch werden sie als «abnormal» klassifiziert und medizinischen Behandlungen unterworfen: Ohne die Einwilligung der intersexuellen Menschen selbst werden in der Regel im Kindesalter kosmetische Genitaloperationen an ihnen vollzogen, um das Genital zu «vereinheitlichen». Dabei wird in Kauf genommen, dass das sexuelle Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird. Noch immer gibt es Fälle, bei denen intersexuelle Kinder durch Kastration ihrer Fortpflanzungsfähigkeit beraubt werden. Eine solche Entfernung gesunder, hormonproduzierender innerer Organe und die dadurch notwendige lebenslange Substitution mit körperfremden Hormonen löst schwere gesundheitliche Probleme aus. Die meisten Opfer dieser Praxis tragen massive physische und psychische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang zu leiden haben.

Wissenschaftliche Studien belegen diese Praxis und deren schwerwiegende Folgen. Medizinisch nicht indizierte, traumatisierende Zwangsbehandlungen (d.h. ohne die Zustimmungsmöglichkeit der Betroffenen) stellen einen erheblichen Verstoß gegen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und die Würde intersexueller Menschen dar. Diese Menschenrechtsverletzungen geschehen in vielen Ländern der Welt. Amnesty International ruft daher in der Positionierung von 2013 alle Staaten auf, diese Behandlungen zu stoppen. Dieser Aufruf blieb jedoch bis heute ohne jede konkrete Folgen.