Niemand hat so viele Ballons wie Queeramnesty. Zusammen mit den gelben Plakaten und den gelben T-Shirts ist sie damit eine der auffälligsten und erkennbarsten Gruppen unter den vielen Tausend Demonstrierenden am Pride-Marsch vom 20. Juni in Zürich. Und die gelben Ballons mit dem Amnesty-International-Symbol werden von Klein und Gross am Strassenrand gerne entgegengenommen – eine gute Gelegenheit, jeweils auch noch einen Flyer mit Informationen zu platzieren, jedenfalls bei den Grossen.

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Alle Jahre wieder versammeln sich Lesben, Schwule, Bisexuelle undTrans-Menschen und ja, auch ihre heterosexuellen Freunde und Angehörigen, in Zürich zum grossen Demonstrationsmarsch für gleiche Rechte. Das Motto der diesjährigen Zürich Pride hätte für Queeramnesty kaum passender sein können: Gleichstellung ohne Grenzen. Es gehen vor dem Marsch denn auch gleich mehrere Redner darauf ein, dass die Situation in anderen Teilen der Welt wesentlich weniger rosig aussieht als in der Schweiz. So zum Beispiel in Riga, Lettland, wo am gleichen Tag unter Polizeischutz die EuroPride stattfindet, zu der auch einige Queeramnesty-Aktivisten aus der Schweiz gereist sind.

Den prominentesten Auftritt in Zürich hat Suzi LeVine, die Botschafterin der USA in der Schweiz, die nicht nur eine äusserst engagierte Rede hält, sondern den Anwesenden auch die ideelle Unterstützung von US-Präsident Obama zusichert, in dessen Amtszeit LGBTI-Rechte in den USA einen grossen Sprung vorwärts gemacht haben. Anschliessend führt sie gemeinsam mit einem Dutzend weiteren Botschaftern den Pride-Marsch an, darunter jenen aus Kanada, Grossbritannien, Kolumbien, der EU und Israel.

Rund eine Stunde dauert die Demonstration durch Zürichs Innenstadt. Am Strassenrand wird rege fotografiert und geschaut, besonders an der Bahnhofstrasse steht das Publikum dicht gedrängt. Die Queeramnesty-Gruppe wird von einem guten Dutzend Flüchtlingen und Asylbewerbern begleitet. „Für sie ist die Pride immer ein Riesenerlebnis und ein unglaublich aufregender Tag“, sagt Pascale, die seit Jahren für Queeramnesty LGBTI-Flüchtlinge betreut.

Vorne mit dabei im Umzug sind auch Ibrahim aus Sierra Leone und Robert aus Uganda. Beide sind Ende 20, seit über zwei Jahren in der Schweiz und hoffen auf Asyl. Ibrahim läuft schon zum zweiten Mal in Zürich mit, das erste Mal vor einem Jahr sei sehr, sehr aufregend gewesen, erklärt er. Aber auch diesmal mache es Spass dabei zu sein. Robert ist in Skandinavien schon bei Pride-Märschen mitgelaufen, aber nun das erste Mal in Zürich. „Es ist eine tolle Sache, in Uganda wäre sowas verboten.“ Und noch etwas will er loswerden: „Ich bin sehr froh um die Unterstützung von Queeramnesty, schreib das.“ Die Asylbewerber, die aus anderen Teilen des Landes angereist sind, können auf Kosten der Organisation in einem günstigen Zürcher Hotel übernachten und haben sogar ein kleines Taschengeld bekommen, damit sie den Tag auch geniessen können. Robert zum Beispiel plant, am Abend noch durch ein paar Schwulen-Bars zu ziehen – was er sich normalerweise gar nicht leisten könnte.

Nach dem Umzug strömen Tausende auf das Festgelände bei der Kasernenwiese, wo Essens- und Getränkezelte, aber auch Informationsstände auf Kundschaft warten. Die meisten stürzen sich zuerst auf die Verpflegung, aber auch beim Stand von Queeramnesty ist rasch deutlich mehr los als am Vortag. „Richtig voll war es nur, als ein Regenschauer kam und alles unter ein Dach flüchtete“, sagt Maya lachend, die auch heute wieder dabei ist. Zusammen mit Ueli betreut sie den Stand bis am späten Nachmittag, dann kommt Ablösung. „Es ist nicht immer leicht, genügend Helfer zu finden, aber dafür haben dieses Jahr mehr Flüchtlinge mitgeholfen als letztes Mal.“

Am Stand gibt es Informationen über die rechtliche Situation von LGBTI rund um die Welt, zudem zum Schwerpunktland 2015, der Türkei. Dort hat es in den letzten Jahren zwar einige Fortschritte gegeben, dennoch ist die rechtliche Lage prekär, und es gibt erschreckend viele homophobe Attacken. Speziell gefährdet sind Trans-Menschen: Zwischen 2008 und 2013 wurden 34 von ihnen ermordet, so viele wie in keinem anderen Land Europas. Beim flanierenden Publikum stösst vor allem die riesige Rechte-Weltkarte auf grosses Interesse, welche die Rückwand des Queearamnesty-Zelts dominiert. „Und die Lecktücher sind enorm beliebt“, sagt Maya, „insbesondere bei den Frauen. Offenbar sind wir die einzigen, die das haben.“

Es werden am Stand aber nicht nur Informationen und Give-Aways verteilt, sondern auch Unterschriften gesammelt, und zwar für die Rechte von LGBTI-Menschen in Kamerun sowie die Aufklärung des Mordes am Aktivisten Eric Ohen Lembembe, der 2013 von Freunden tot in seinem Heim in Yaoundé aufgefunden wurde. „Die Unterschriften-Sammlung läuft gut“, sagt Ueli, der auch in den Vorjahren jeweils am Stand präsent war. „Erfahrungsgemäss kommen an einem solchen Wochenende einige 100 Unterschriften zusammen.“ Später kommt dann auch nochmals ein heftiger Regenschauer zu Hilfe – so füllt sich nicht nur das Queeramnesty-Zelt wieder, sondern auch der Unterschriftenbogen.