Ein ultraorthodoxer Jude hat am Donnerstag sechs Personen am Gay Pride Marsch in Jerusalem mit einem Messer verletzt, eine davon tödlich. Bis vor kurzem hatte er noch im Gefängnis gesessen – weil er 2005 dasselbe schon mal getan hatte.

Pride Jerusalem

So weltoffen und LGBT-freundlich die israelische Hauptstadt Tel Aviv ist, so schwer tut man sich in Jerusalem mit der jährlichen Gay Pride Parade. Die Stadt ist das religiöse Zentrum des Judentums, und insbesondere die Ultraorthodoxen stehen Homosexualität äusserst ablehnend gegenüber, wie alle religiösen Fundamentalisten.

An der Parade am Donnerstagabend griff einer dieser ultraorthodoxen Juden trotz grosser Polizeipräsenz mehrere Teilnehmende mit einem Messer an. Sechs Personen wurden verletzt, drei davon schwer. Die 16-jährige Shira Banki ist am Sonntag ihren Verletzungen erlegen. Der Täter wurde noch während der Parade zu Boden gerungen und festgenommen. Es stellte sich heraus, dass er gerade erst vor einem Monat aus dem Gefängnis entlassen worden war – dort hatte er zehn Jahre gesessen, weil er schon 2005 drei Personen an der Gay Pride Parade in Jerusalem mit einem Messer verletzt hatte.

Vor dem Angriff äusserte er sich in einem Schreiben und nannte den Marsch beschämend und blasphemisch. „Erneut wollen die Übeltäter für ihre Abscheulichkeiten durch die Stadt des Königs der Könige marschieren. Sie wollen den Tempel besudeln und Seinen heiligen Namen entweihen.“ Einem ultraorthodoxen Radiosender sagte er: „Selbst wenn nur eine einzige Person kommt und eine solche Parade abhalten will, ist es nötig, etwas Extremes zu tun.“

Die Attacke wurde umgehend von höchster Stelle in unmissverständlichen Worten verurteilt: „In Israel hat jeder das Recht in Frieden zu leben, auch die Gay Community“, sagte der konservative Premierminister Benjamin Netanjahu kurz danach im Fernsehen. „Und wir werden dieses Recht verteidigen.“ Er bezeichnete den Angriff als ein „abscheuliches Hassverbrechen“.

Der Angreifer wird nun erneut vor Gericht gestellt, verzichtet jedoch auf einen Verteidiger. „Das Gericht arbeitet nicht nach den Weisungen der heiligen Tora und ist Teil des Mechanismus des Bösen“, erklärte er bei einer Anhörung.

„Wir erwarten lediglich, dass LGBTQ-Menschen frei und sicher in Jerusalem leben können“, schrieb Jerusalem Open House in einem Statement, jene Gruppierung, die den jährlichen Pride-Marsch organisiert. „Dieser Vorfall zeigt umso mehr, dass wir unsere Arbeit und unsere Märsche fortsetzen müssen.“